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Heizungsbauer zu Regierungsplänen: „Wird in dieser Form niemals funktionieren“

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Von: Robert Schwarz

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Der Industrie gefällt die prominente Rolle der Wärmepumpe in den Plänen der Regierung. Bosch Thermotechnik meldet für das Jahr 2022 im Segment Wärmepumpen ein Umsatzplus von 54 Prozent. Im Bosch-Werk (Bild) Eibelshausen fertigt der Konzern Inneneinheiten für die neuste Wärmepumpengeneration. 2022 wurden in Deutschland laut Bundesverbands der Deutschen Heizungs-Industrie (BDH) 236 000 Wärmepumpen verkauft, ein Plus von 53 Prozent. Diese Zahl soll auf 500 000 pro Jahr steigen.
Der Industrie gefällt die prominente Rolle der Wärmepumpe in den Plänen der Regierung. Bosch Thermotechnik meldet für das Jahr 2022 im Segment Wärmepumpen ein Umsatzplus von 54 Prozent. Im Bosch-Werk (Bild) Eibelshausen fertigt der Konzern Inneneinheiten für die neuste Wärmepumpengeneration. 2022 wurden in Deutschland laut Bundesverbands der Deutschen Heizungs-Industrie (BDH) 236 000 Wärmepumpen verkauft, ein Plus von 53 Prozent. Diese Zahl soll auf 500 000 pro Jahr steigen. © Bosch

Der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zum Verbot des Einbaus neuer, reiner Gas- und Ölheizungen ab 2024 hinterlässt verunsicherte Kunden und irritierte Heizungsbauer.

Ellenberg.

Es dauert gerade mal ein paar Stunden, bis an jenem Tag Sven Geigers Telefon klingelt. Gerade haben Deutschlands Medien gemeldet, dass das Bundeswirtschaftsministerium den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen ab dem kommenden Jahr verbieten will, schon melden sich die ersten Kunden bei dem Ellenberger Betrieb – und wollen noch schnell einen neuen Ölkessel ordern. Bis zum Abend sind es derer vier. „Die Politik macht es uns gerade nicht leicht“, sagt Geiger, der auch Obermeister der Innung ist, und seufzt.

Eigentlich müssten er und die anderen Betriebe in der Heizungsbranche frohlocken: Der flächendeckende Einbau neuer Wärmepumpen, die in Deutschland ab 2024 von höchster Instanz laut eines Gesetzesentwurfs des Bundeswirtschaftsministeriums endgültig zum Gold-Standard der Wärmeerzeugung erhoben werden, verspricht zahlreiche neue Aufträge. „Ab 2024 werden wir jedes Jahr 500 000 neue Wärmepumpen installieren“, verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz. Noch wird die Mehrheit der Wohngebäude per Gas oder Öl beheizt, in Deutschland liegt der Anteil an Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten, bei 71 Prozent. Mit Strom heizen gerade mal vier Prozent. Das soll sich bis zum Jahr 2045, wenn das Land klimaneutral sein soll, ändern. Das sorgt auch in der Region für verunsicherte Kunden und irritierte Heizungsbauer. Aus zahlreichen Gründen.

Die Kapazitäten. „Dass wir von den fossilen Technologien wegmüssen, ist absolut nachvollziehbar und ein sinnvolles Ziel“, sagt Marius Wolf, Geschäftsführer des gleichnamigen Heizungsbauers aus Heubach. Er kritisiert wie Geiger und Alexander Sachsenmaier, Geschäftsführer des gleichnamigen Betriebs aus Göggingen, zum einen die Konzentration auf lediglich eine Technologie. „Das wird in dieser Form und in diesem Zeitrahmen in der Praxis niemals funktionieren“, sagt Wolf. Er hält zwar die Zielsetzung, pro Jahr 500 000 Wärmepumpen zu produzieren laut aktuellen Meldungen der Hersteller, für realistisch, doch es hakt an anderer Stelle: „Die Branche verfügt nicht über die nötigen Kapazitäten, diese einzubauen.“

Das sieht auch Sachsenmaier so: „In der Branche fehlen in den kommenden Jahren mehr als 60.000 Fachkräfte. Selbst wenn wir so viele Menschen in gleicher Zeit ausbilden könnten, wie in absehbarer Zeit in Ruhestand gehen, würden die Kapazitäten nicht reichen.“ Schon jetzt ächzen viele Handwerksbetriebe unter den vielen Anfragen, sind teils auf Monate ausgelastet. Zudem ist die Installation einer Wärmepumpe komplexer als der Einbau eines Öl- oder Gaskessels oder einer Pelletsanlage. „Viele kleinere Betriebe haben sich bewusst entschieden, Wärmepumpen gar nicht erst anzubieten“, berichtet Geiger.

2024 soll das Verbot für herkömmliche Gasheizungen kommen. Derzeit sind in Deutschland laut Erhebung des Schornsteinfegerhandwerkes für 2021 und BDH-Schätzung 7,6 Millionen Gas-Brennwertkessel, 6,4 Millionen Gas-Kessel, 4,4 Millionen Öl-Kessel, 800 000 Öl-Brennwertkessel, jedoch nur 1,2 Millionen Wärmepumpen sowie 900 000 Biomasse-Kessel (z.B. Pellets) installiert.
2024 soll das Verbot für herkömmliche Gasheizungen kommen. Derzeit sind in Deutschland laut Erhebung des Schornsteinfegerhandwerkes für 2021 und BDH-Schätzung 7,6 Millionen Gas-Brennwertkessel, 6,4 Millionen Gas-Kessel, 4,4 Millionen Öl-Kessel, 800 000 Öl-Brennwertkessel, jedoch nur 1,2 Millionen Wärmepumpen sowie 900 000 Biomasse-Kessel (z.B. Pellets) installiert. © Enßle, Marie

Die Wartezeiten. Auf bestellte Wärmepumpen müssen die Betriebe aktuell ebenfalls monatelang warten. Die Hersteller lassen sich den aktuellen Hype zudem gut bezahlen. „Die Preise für Wärmepumpen sind in den vergangenen zwei Jahren um teilweise bis zu 70 Prozent gestiegen“, sagt Wolf. Erst im Januar gab es die jüngste Preiserhöhung: Während Öl-, Gas- und Pelletsanlagen im Schnitt um zwei bis drei Prozent teurer wurden, lag das Plus bei manchen Wärmepumpen bei 16 Prozent, so der Geschäftsführer. Bereits zuvor waren Wärmepumpen deutlich teurer in der Anschaffung als ihre fossilen Pendants. „Viele Hausbesitzer können sich eine neue Wärmepumpe trotz der umfangreichen Förderung schlicht nicht leisten“, mahnt Geiger.

Die Technologie. Hinzu kommt: Nicht jedes Haus ist für eine Wärmepumpe geeignet. „In den meisten gut gedämmten Neubauten ist die Technologie sinnvoll“, sagt Wolf. „Entscheidend sind immer die Rahmenbedingungen.“ Beispiel: Eine schlechtere Dämmung in Altbauten erfordert in der Regel eine höhere Vorlauftemperatur der Heizung. Im Winter ist der Unterschied zwischen Vorlauf- und Außentemperatur besonders groß, die Wärmepumpe benötigt entweder sehr viel Energie für den Einsatz eines häufig eingebauten Heizstabs oder kommt an ihre Grenzen. Die Königslösung ist deshalb eine Technologie-Kombination, wie Wolf erklärt. Die Wärmepumpe für die wärmeren Monate, einen zweiten Energieträger wie Pellets, Scheitholz, Gas- oder Ölkessel für die kälteren Tage, am besten flankiert von einer Solarthermie- oder PV-Anlage. Problem: Die Investitionskosten für ein solches System liegen bei deutlich mehr als 60 000 Euro – eine etwaige neue Außen- oder Dachdämmung nicht mitgerechnet.

Doch auch bei diesen Hybridheizungen genannten Anlagen folgt die Unsicherheit auf dem Fuße, denn wie genau ab dem Jahr 2024 der regenerative Anteil einer Heizungsanlage berechnet wird, steht noch nicht fest. „Wir können nur vermuten, wissen tun wir es nicht“, sagt Wolf. In jedem Fall gilt: Öl oder Gas müssen unter 35 Prozent liegen, Wärmepumpen oder Pelletsanlagen gelten als regenerative Quellen. Apropos Pellets: Die waren noch vor ein bis zwei Jahren vor allem in der Region sehr beliebt, doch nicht nur die Preisexplosion im vergangenen Jahr auf teilweise auf bis 800 Euro pro Tonne hat der Begeisterung ein jähes Ende gesetzt: Das Umweltbundesamt riet bereits im vergangenen Jahr vom Heizen mit Holz und Pellets ab, das schürt die Unsicherheit privater Käufer ebenso wie die massiv zurückgegangenen Fördermöglichkeiten. „Verbände, die noch vor zwei Jahren für die Nachhaltigkeit von Pelletsanlagen geworben haben, schwenken nun um“, sagt Sachsenmaier verwundert.

Die Förderlandschaft. Die Bundesregierung scheint sich der sozialen Dimension bewusst zu sein. So kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck an, die Heizungspläne mit „einer großen sozialpolitischen Unterstützungsmaßnahme“ zu flankieren. Wie die aussehen soll: unklar. Klar ist: In der jüngeren Vergangenheit sorgte die Förderpolitik des Bundeswirtschaftsministeriums eher für Misstöne und weiteren Verdruss bei Heizungsbauern sowie Kundinnen und Kunden denn für verlässliche Rahmenbedingungen.

Erst im August wurden die Sätze für die Förderung neuer Heizungen teilweise drastisch gekürzt und verkompliziert. Die teils kurzfristigen Änderungen werfen die Planungen vieler Hausbesitzer und Heizungsbauer regelmäßig über den Haufen. Ähnliches war vielen Häuslebauern bereits im Januar 2022 widerfahren, als sicher geglaubte Fördertöpfe für Energieeinsparmaßnahmen von einem auf den anderen Tag plötzlich leer waren und die Förderung eingestellt wurde. „Ich erkenne beim besten Willen kein langfristiges Konzept, vieles ist Stückwerk, heute so, morgen anders“, sagt Geiger.

Glück hat, wer rechtzeitig den Förderantrag gestellt hat, andere gehen leer aus. Wird eine Förderung bekannt, setzt ein wahrer Ansturm ein, eine direkte Reaktion auf die gestoppten Förderungen der Vergangenheit. Das steigert die Belastung für viele Handwerksbetriebe, die Förderanträge laufen in der Regel (politisch gewollt) über das Unternehmen. Folge sind zwar mehr Aufträge, jedoch steigt der ohnehin schon große bürokratische Aufwand für das Handwerk. „Viele meiner Kollegen wollen sich das schlicht nicht mehr antun“, sagt Geiger. Zudem seien gerade Wärmepumpen sehr beratungs- und planungsintensiv, erläutert Sachsenmaier.

Das Stromnetz. Es ist eine Binsenweisheit: Soll der Strom künftig nicht nur unsere Autos antreiben, sondern auch die Stube wärmen, braucht es: sehr viel Strom. Derzeit produziert Deutschland 575 Terawattstunden Strom pro Jahr, rechnet Wolf vor, in zehn Jahren liege der Bedarf voraussichtlich doppelt so hoch. „Selbst wenn ausreichend Erneuerbare-Energie-Kraftwerke in kurzer Zeit gebaut würden: Das Stromnetz kommt bereits jetzt an seine Grenzen“, sagt Wolf. Zuletzt mahnten Energieversorger wie die EnBW ODR regelmäßig, der Flaschenhals der Energiewende sei das Netz. Ein Grund: Langwierige Genehmigungsverfahren und überbordende Regulatorik behindern den geplanten Netzausbau, der vor allem nötig ist, um die Energie vom stromreichen Norden in den Süden oder von ländlichen Gebieten in die Ballungsräume zu transportieren.

In der Tat wurden Verbraucher in den zurückliegenden Wintermonaten in Baden-Württemberg regelmäßig gemahnt, zu bestimmten Zeiten weniger Strom zu verbrauchen. Kein Wunder also, dass es bei den Wärmepumpen eine Hintertür gibt: Kommt das Stromnetz an seine Grenzen können Versorger die Anlagen für zwei bis sechs Stunden am Tag von der Stromzufuhr abschneiden. Sachsenmaier macht sich um das Stromnetz allerdings aktuell grundsätzlich keine Sorgen. Der Grund ist simpel: „Die Branche wird in Deutschland pro Jahr keine 500 000 Wärmepumpen installieren können.“

Eine Folge. Nicht nur bei Sven Geiger klingelte umgehend das Telefon nach den Medienberichten über die neuen Regelungen, auch Marius Wolf berichtet von zahlreichen Anfragen. „So viele Ölheizungen wie in den vergangenen Monaten haben wir in den vergangenen zwei Jahren nicht verkauft.“ Sachsenmaier konstatiert Ähnliches: Im Schnitt berät er pro Tag vier Kunden, die noch schnell eine neue, reine Öl- oder Gasheizung wollen, bevor der Gesetzgeber dies verbietet. Das Problem: Da die Nachfrage in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen ist, haben auch die Hersteller ihre Kapazitäten angepasst und produzieren weniger, sagt Geiger. Folge: Auch hier sei mit Wartezeiten zu rechnen.

Das Fazit. Der Tenor im Handwerk ist deutlich: Das Ziel, weg von fossilen Energieträgern zu kommen, ist unstrittig, der der von der Politik visionierte Weg dorthin das Gegenteil. „Wir werden das in dem vorgegebenen Tempo nicht schaffen. Das ist ein Fakt. Wir haben weder die ausreichenden Kapazitäten, so viele Heizungen einzubauen, noch den Strom, um sie zu betreiben“, sagt Marius Wolf. Auch Innungsobermeister Geiger ist „sehr enttäuscht von der Bundesregierung“, wie er sagt: „Sie weiß nicht, wie es an der Basis aussieht.“

Ab 2024 soll der EInbau neuer, reiner Öl- und Gasheizungen verboten werden. So will es das Bundeswirtschaftsministerium.
Ab 2024 soll der EInbau neuer, reiner Öl- und Gasheizungen verboten werden. So will es das Bundeswirtschaftsministerium. © Pixabay

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