ZF plant weitere Verkäufe – Suche nach Investor für Standort Alfdorf läuft

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Die Division Passive Sicherheitstechnik mit Standort in Alfdorf hat im Januar einen neuartigen beheizbaren Sicherheitsgurt vorgestellt.
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Der Konzern reagiert mit einem Sparprogramm und geplanten Verkäufen auf den gesunkenen Gewinn. Verkauf des Standorts Alfdorf wohl noch in diesem Jahr.

Alfdorf

Der ZF-Konzern hat 2022 mit einem Umsatzwachstum, aber weniger Gewinn abgeschlossen. „Das vierte Krisenjahr in Folge stellte die Industrie und ZF erneut vor große Herausforderungen und hat Spuren in der Bilanz hinterlassen. Mit unserem Finanzergebnis können wir deshalb nicht zufrieden sein“, sagte der neue Vorstandsvorsitzende Dr. Holger Klein während der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens. Die Ausgliederung sowie der anschließende Verkauf der Passiven Sicherheitssparte, deren größter Standort in Alfdorf liegt, schreitet derweil voran.

„Wir haben eine Bank mit der Suche nach Investoren beauftragt“, so Klein. Mit einem Ergebnis werde noch in diesem Jahr gerechnet. „Wir stehen unter keinerlei Druck und werden die Division nicht unter Wert verkaufen“, erklärt der Vorstandschef.  So will es sich ZF auch leisten, darauf zu warten, bis sich die Kapitalmärkte wieder beruhigt hätten, so Klein weiter. Heißt: Mit dem Verlauf des Jahres und einer Verbesserung der Weltwirtschaft soll auch die Investitionsbereitschaft der Interessenten größer werden. Das vergangene Jahr hat die Division, deren Sitz Alfdorf ist, mit einem Umsatzwachstum von 19 Prozent auf 4,541 Milliarden Euro abgeschlossen – und damit stärker zugelegt als der gesamte Konzern, dessen Erlöse von 38,3 Milliarden auf 43,8 Milliarden Euro zunahmen.

Für die Automobilindustrie war 2022 das vierte Krisenjahr in Folge. Bereits 2019 waren die weltweiten Märkte deutlich eingebrochen, dann kam die Pandemie und schließlich die historische Zäsur mit der russischen Attacke auf die Ukraine. „Die Märkte haben sich seither nur zaghaft erholt“, sagt Klein. Ob sie jemals wieder das Niveau des Rekordjahres 2017 erreichen, sei derzeit unsicher, einzelne regionale Märkte seien gar auf das Volumen des Jahres 1996 geschrumpft.

„Der schnellere Abschied vom Verbrenner in Europa hat den Wandel beschleunigt“, erklärt Klein. Zu etwaigen Auswirkungen des geplanten Verbrennerverbots auf die deutschen Standorte wollte er nicht spekulieren. Klar ist: Der ZF-Konzern ist inzwischen weit weniger von Benzinern und Dieseln abhängig als noch vor einigen Jahren. „Als ich bei ZF begonnen habe, lag der Umsatzanteil bei rund zwei Drittel“, so Klein. Inzwischen habe sich der Anteil auf 30 Prozent reduziert. Allein der Auftragsbestand für elektrifizierte Antriebe für Pkw und Nutzfahrzeuge beträgt inzwischen mehr als 30 Milliarden Euro.

Nicht glücklich zeigt Klein mit bei der Ertragsstärke des Konzerns. „Auch wenn wir 2022 mit unserer Strategie weiter vorangekommen sind, können wir mit diesem Finanzergebnis nicht zufrieden sein“, so der Manager, der im Januar auf Wolf-Henning Scheider folgte. Der bereinigte operative Gewinn legte zwar leicht zu auf 2,04 Milliarden Euro zu. Das Ergebnis nach Steuern war mit 376 Millionen Euro aber kaum halb so hoch wie im Vorjahr. Das tut ZF weh, da den Konzern noch immer hohe Verbindlichkeiten plagen, die 2022 geringfügig auf 10,4 Milliarden Euro gestiegen sind. Mit den Darlehen hatte das Unternehmen unter anderem größere Übernahmen wie TRW oder den Bremsenhersteller Wabco getätigt.

Die Konsequenz: Klein will ZF schlanker und effizienter aufstellen sowie „auf noch striktere Kostendisziplin achten“. Zudem plant ZF unter anderem die Zusammenlegung der beiden Divisionen für Pkw-Fahrwerktechnik und Aktive Sicherheitstechnik zu einer neuen Division für Fahrwerk-, Lenkungs- und Bremsentechnologie. „Die neue Division bietet die gesamte Hardware, Software und Elektronik an, um Vertikal-, Längs- und Querdynamik eines Fahrzeugs zu beherrschen. Mit mehr als 14 Milliarden Euro Umsatz soll sie vom Start weg ein starker Partner unserer Kunden sein“, erläutert Klein.

Entlastung soll auch der geplante Verkauf oder Teilverkauf einiger Geschäftsbereiche bringen. Neben der Division Passive Sicherheitstechnik samt Standort in Alfdorf, die komplett verkauft werden soll, will sich ZF vom konventionelle Pkw-Achsengeschäft und dem Geschäft mit autonom fahrenden Shuttles trennen. Alle Ausgliederungen werden derzeit vorbereitet, sind aber noch nicht abgeschlossen. Bei einigen neu gebildeten Firmen will ZF Mehrheitseigner bleiben. „Für attraktive Bereiche mit sehr gutem Wachstumspotenzial und hohem Investitionsbedarf suchen wir externe Kapitalgeber als Partner“, sagt Klein. Schon Ende 2022 habe man die Luftfahrsparte erfolgreich an Airbus verkauft, führt der Vorstandschef weiter aus.

Für das Jahr 2023 geht Klein mit einem Umsatz von 45 Milliarden Euro aus. Mit einer deutlichen Erholung der Märkte rechnet er nicht. „Es wird wohl das fünfte Krisenjahr in Folge.“

Vorstandschef Dr. Holger Klein.

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