Straßennamen in Aalen: mehr Vögel als Frauen

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Die Straßenecke Edith-Stein-Weg / Albert-Schweitzer-Straße in Wasseralfingen auf dem Bürgle.
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Fraktionen und Gruppen im Gemeinderat antworten auf die Frage, ob mehr Straßen in Aalen weibliche Namen tragen sollten.

Aalen. Wurden neue Baugebiete erschlossen und Namen für neue Straßen gesucht, erhielten meist Männer den Vorrang. Von 233 Straßen in Aalen, die nach Personen oder Vornamen benannt sind, tragen nur 24 einen weiblichen Namen: Das sind 10,3 Prozent. Insgesamt gibt es 1087 Straßen im Stadtgebiet. Die meisten Straßen sind nicht nach Personen benannt, sondern nach Pflanzen, nach Flur- oder Gewannnamen oder nach Tieren. Allein die Vögel kommen dabei häufiger vor als die Frauen. 29 Straßen heißen Milanweg, Bussardweg, Kolibriweg oder ähnlich. Die Fraktionen und Gruppen im Gemeinderat antworten auf die Fragen zum Thema Gleichstellung: 209 Straßen in Aalen tragen einen männlichen und 24 einen weiblichen Namen. Finden Sie, dass künftig mehr Straßen nach Frauen benannt werden sollten? Warum beziehungsweise warum nicht?

Michael Fleischer (Grüne)

Michael Fleischer

Dass in Anbetracht des krassen Missverhältnisses zwischen Männer- und Frauennamen Straßen bis zum Erreichen einer Parität vorrangig nach Frauen benannt werden, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Schließlich haben die Frauen einen Anteil von über der Hälfte an der Bevölkerung. Die Zahlen belegen, dass wir das Thema bisher alle nicht ausreichend „auf dem Schirm hatten“. Deshalb ist es erfreulich, dass auf den Vorstoß meiner Fraktionskollegin Frau Brauch-Siedler im Zusammenhang mit den von der Verwaltung für das „Tannenwäldle“ vorgeschlagenen Straßennamen nun eine Debatte und ein Umdenken in Gang gekommen sind. Geeignete, bedeutende und ehrungswürdige Frauen aus allen gesellschaftlichen Bereichen gibt es zuhauf. Auch Vorschläge aus der Bürgerschaft sind uns dabei jederzeit willkommen.

Thomas Wagenblast (CDU)

Thomas Wagenblast

Die CDU-Fraktion unterstützt gerne das Bemühen, mehr weibliche Namen für Straßenbenennungen zu verwenden. Auf Antrag unserer Fraktion beschloss der Gemeinderat am 31. März diesen Jahres, zwei Straßen im neuen Baugebiet am Tannenwäldle in Annemarie-Tugendhat-Weg und Frieda-Heilbronn-Straße zu benennen. Die Diskussionen in der Öffentlichkeit und im Gemeinderat haben uns gezeigt, dass es bei der Benennung von neuen Straßen und Plätzen wichtig ist, dass diese zu unserer Stadt passen müssen und am besten eine Geschichte erzählen können - unabhängig davon, ob die Persönlichkeit eine Frau oder ein Mann ist. Deshalb unterstützen wir auch die Benennung des Rudolf-Duala-Manga-Bell-Platzes in der Innenstadt, um ein unrühmliches Kapitel deutscher Kolonialgeschichte mit Bezug zu Aalen aufzuarbeiten.

Hermann Schludi (SPD)

Hermann Schludi

Die paritätische Benennung von Straßen nach Personen ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss sich auch in der Gedenkkultur und in der Geschichtsaufarbeitung niederschlagen. Der geringe Anteil der durch Straßennamen geehrten Frauen macht deutlich, dass Berufstätigkeit und gesellschaftspolitische Aktivitäten von Frauen weniger beachtet werden. Dementsprechend werden sie seltener wertgeschätzt und öffentlich gewürdigt. Bedeutende Frauen sind im öffentlichen Raum zu wenig sichtbar. Sie könnten für Frauen und Mädchen Vorbilder sein. Im Sinne einer gleichstellungspolitischen Erinnerungskultur unterstützen wir als SPD die Idee, einen Bestand an bedeutenden Frauennamen anzulegen, und bei Straßenbenennungen zu berücksichtigen.

Thomas Rühl (Freie Wähler)

Thomas Rühl

Die Antwort kurz und bündig: Ja! Aber bitte nicht aus Gleichstellungsgründen krampfhaft weit hergeholt. Es sollte schon ein deutlicher Bezug zu Aalen und ein signifikantes Wirken für beziehungsweise in Aalen erkennbar sein. 

Dr. Frank Gläser (AfD)

Dr. Frank Gläser

Unsere Stadt hat gerade wichtigere Sorgen als die Geschlechterverteilung von Straßennamen. Die sollten kurz und einprägsam sein und primär der Kennzeichnung einer Straße und nicht der Verteilung von Namen dienen. Die Dominanz männlicher Straßennamen rührt daher, dass in der Vergangenheit auch als Folge des traditionellen Familienbildes zumindest nach außen häufiger Männer profilgebend waren. Das wird sich mit moderner Gleichberechtigung und Frauenförderung ändern. Dazu kommt die bahnbrechende Errungenschaft, dass jede/r sein Geschlecht einmal jährlich wechseln kann. Zusätzlich werden dann unsere Straßennamen durch eine Vielzahl neuer Geschlechter bereichert werden. Es bleibt noch festzulegen, wie das Geschlecht zur Zeit der Namensgebung gekennzeichnet werden soll. Schöne neue Welt!

Manfred Traub (Zählgemeinschaft)

manfred traub

Natürlich ja! Natürlich ist das Geschlecht bei einer Leistung kein Argument für besser oder schlechter. Aber warum gibt es so wenige Benennungen nach Frauen? Die überholte Rolle „starkes und schwaches“ Geschlecht hat Frauen viel zu lange gehindert, mit ihrem Namen öffentlich für Leistung stehen zu dürfen. Ein Beispiel für eine Missachtung weiblicher Leistung wird durch das viel zu spät eingeführte Wahlrecht für Frauen gezeigt. Leistung ist geschlechtsneutral anzuerkennen und es gibt unstreitig noch großen Nachholbedarf in der Gesellschaft, weibliche Leistung besser zu honorieren und zu würdigen. Eigentlich ist es ganz einfach: Alle Menschen sind gleich! Gleich Gutes ist gleich anzuerkennen!

Roland Hamm (Die Linke)

Roland Hamm

Wenn in Aalen nur so wenige Straßen einen weiblichen Namen tragen, entspricht das einem Gesellschaftsbild und Rollenverständnis, das wir schleunigst hinter uns lassen sollten. Die weibliche Hälfte unserer Stadtgeschichte geht leer aus! Hierbei handelt es sich keinesfalls um eine Petitesse. Nach Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes sind Männer und Frauen gleichberechtigt und dies muss sich endlich auch bei Straßen- und Platzbenennungen in Aalen niederschlagen. Erste positive Beispiele in der jüngeren Vergangenheit brauchen eine dynamische Fortsetzung mit überproportionaler Berücksichtigung von Frauennamen. Straßenschilder markieren öffentliches Gedenken und Wertschätzung. Das sollte dem Grundgesetz und der Leistung der weiblichen Mehrheit unserer Gesellschaft entsprechen. 

Dr. Philipp Frank (FDP/Freie Wähler)

Dr. Philipp Frank

209 Männernamen zu 24 Frauennamen: Aalen hat einiges nachzuholen. In der jüngeren Vergangenheit ist hierfür zurecht eine neue Sensibilität entstanden. Unsere schönsten Aalener Straßen und Plätze tragen aber bereits männliche Namen. Liberale sind keine Ideologen. Aber wenn wir es ernst meinen, dass die Frauen als Vorbilder sichtbar werden sollen, die sich in der Geschichte um unsere Stadt, unser Land, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft verdient gemacht haben, können wir nicht nur mit kleinen Fußwegen und in Neubaugebieten anfangen, Straßennamen nach Frauen zu benennen, sondern müssen auch bestehende Plätze bei größeren Neugestaltungen nach Frauen benennen. Aalen sollte generell Persönlichkeiten ehren, die ihre Spuren in der Stadt hinterlassen und sich um die Stadt verdient gemacht haben.

Norbert Rehm (Aktive Bürger)

Norbert Rehm

Natürlich sollen mehr Straßen nach Frauen benannt werden. M/W/D soll aber nicht den Ausschlag geben. Es darf nur um die Sache gehen – nicht um Ideologie, nicht um das Geschlecht. Bis ein gewisses „Gleichgewicht“ erreicht ist, soll gelten: „Ladies first“. Wir brauchen aber die Akzeptanz bei den Bürgern. Auch hier ist die Beteiligung wichtig: Vorschläge einholen, diskutieren. Es soll nicht so weit kommen, dass wir Straßen nach den Eingemeindungen umbenennen, weil die Namen doppelt vorhanden waren – und wir jetzt – fast identische Namen für Straßen doppelt vergeben. Und das, nur weil ein Frauenname gesucht wird. Mitwirkung der Bürger schadet auch hier nicht. Kein Gemauschel im Kämmerlein und dann abnicken. Nicht alles, was bei Namensgebungen von OBs im Hinterzimmer durchgedrückt wurde, war richtig.

Die Straßenecke Edith-Stein-Weg / Friedrich-Ebert-Straße in Wasseralfingen auf dem Bürgle.

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