- VonAlexandra Rimkusschließen
In dem Prozess gegen einen 34-Jährigen ist am Dienstag vor dem Ellwanger Landgericht das Urteil gefällt worden.
Ellwangen. Am Dienstag ist vor dem Landgericht Ellwangen im Prozess gegen einen 34-jährigen Anlagenführer aus Aalen das Urteil gefällt worden. Der Mann kam glimpflich davon. Das Gericht verurteilte ihn „nur“ wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Das Gericht sah es durchaus als erwiesen an, dass der 34-Jährige im August des vergangenen Jahres einen 35-jährigen Lagerarbeiter im Streit unter anderem Messern und einer Motorsäge zunächst bedroht und wenig später dann mit seinem Wagen überfahren hatte. Da sich nach Auffassung des Gerichts bei diesem Geschehen das Mordmerkmal der Heimtücke aber nicht zweifelsfrei nachweisen lässt, habe man den 34-Jährigen nicht - wie von der Staatsanwaltschaft angeklagt - wegen versuchten Mordes verurteilen können, sondern lediglich wegen versuchten Totschlags, erklärte der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch in seiner Urteilsbegründung.
Staatsanwalt Horn: Das Opfer war „arg- und wehrlos“
Staatsanwalt Carsten Horn hatte das zuvor in seinem Plädoyer anders eingeschätzt. Wie Horn ausführte, sei das Opfer an dem Tattag arg- und wehrlos gewesen, als es vom Angeklagten mit dessen VW Touran überfahren wurde. „Der Mann rechnete zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit einem Angriff, der Streit war ja beendet. Das Opfer wollte nach Hause gehen.“ Diese Situation habe der 34-jährige Angreifer bewusst ausgenutzt. Damit habe man es juristisch mit einem versuchten Mord zu tun, konstatierte Horn. Er fordert für den bis dato nicht vorbestraften Angeklagten eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren sowie ein lebenslanges Fahrverbot. „Er hat seinen Pkw bei der Tat zur Waffe pervertiert.“ Das Opfer habe „Riesenglück“, noch am Leben zu sein, sagte Horn mit Verweis auf den im Prozess angehörten rechtsmedizinischen Sachverständigen. Der hatte am vergangenen Mittwoch ausgesagt, dass derart gelagerte Unfälle in der Regel tödlich enden. Und genau das hätte der 34-Angeklagte im Moment der Tat auch gewollt, zeigte sich der Staatsanwalt überzeugt.
Der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Mark Schönhaar aus Oberkochen, folgte Horn in weiten Teilen. „Wenn man jemanden mit 32 bis 38 Stundenkilometer überfährt, ist einem selbstverständlich bewusst, dass das erhebliche Konsequenzen haben kann“, sagte Schönhaar. Eine Tötungsabsicht sei anzunehmen.
Was sich aus Sicht des Nebenklagevertreters aber nicht zweifelsfrei beweisen ließ, ist ein bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, was für das Mordmerkmal der Heimtücke zwingend vorliegen muss. Schönhaar sprach sich deshalb dafür aus, den Angeklagten nur wegen versuchten Totschlags zu verurteilen. Die Höhe der Freiheitsstrafe legte er in das Ermessen des Gerichts.
Verteidigerin geht von einem „tragischem Unfall“ aus
Zu einer gänzlich anderen Bewertung des Tatgeschehens kam die Verteidigerin Anke Stiefel-Bechtold. Nach der Beweisaufnahme habe man nicht einmal „die Grauzone der Erkenntnis“ erreicht, befand Stiefel-Bechtold. Das Motiv ihres Mandanten sei genauso im Dunkeln geblieben, wie der genaue Tathergang. Selbst die Sachverständigen hätten hier nicht für Aufklärung sorgen können, meinte die Verteidigerin. Deshalb könne man auch nicht ausschließen, dass ihr Mandant an dem Abend den 35-jährigen Kontrahenten gar nicht überfahren wollte. Vielmehr sei es auch denkbar, dass es sich um einen bedauerlichen Fahrfehler unter dem Einfluss von Alkohol gehandelt habe. Zumal der 34-Jährige wenig später noch einen zweiten Verkehrsunfall baute. „Da konnte er die Spur schon wieder nicht halten und kam wieder nach links von der Fahrbahn ab. Zufall?“, fragte Stiefel-Bechtold rhetorisch. Sie gehe deshalb weder von einem versuchten Mord, noch einen versuchten Totschlag aus, sondern von einem „tragischen Unfall“. „Mein Mandant hatte nicht die Absicht, jemanden zu töten. Zu keinem Zeitpunkt“, zeigte sich die Anwältin überzeugt.
Sie forderte abschließend für den Angeklagten eine Bewährungsstrafe. „Auf diesen Mann muss man nicht mit einer Haft einwirken“, so Stiefel-Bechtold. Ihren Mandanten beschäftige die Tat „so oder so“ jeden Tag. „Er hadert mit sich. Dieses Geschehen wird vermutlich ihn bis an sein Lebensende begleiten.“
Als Bewährungsauflage sprach sich die Verteidigerin eindringlich für eine stationäre Suchttherapie ihres Mandanten aus, der seit seinem 15. Lebensjahr regelmäßig Alkohol und Cannabis konsumiert.
Der 34-jährige Angeklagte nutzte danach sein letztes Wort, um sich nochmals zu entschuldigen: „Ich will dafür keine Ausreden finden. Es tut mir einfach wahnsinnig leid. Ich wollte niemanden verletzen. “
Die Erste Schwurgerichtskammer des Landgerichts folgte danach im Grundsatz der Einschätzung der Nebenklage. Tötungsabsicht ja, Heimtücke nein.
Wie Richter Bernhard Frisch in diesem Zuge erklärt, liege der Strafrahmen bei einem versuchten Totschlag eigentlich zwischen fünf und 15 Jahren. Die Strafe könne im vorliegenden Falle aber gemildert werden, unter anderem wegen der eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des angetrunkenen Angeklagten zum Tatzeitpunkt. Auch die Zahlung von 10 000 Euro Schmerzensgeld, die im Zuge eines Täter-Opfer-Ausgleichs erfolgt ist, wirke sich zugunsten des Angeklagten aus.
Richter: Verstoß gegen eine „der grundlegendsten Spielregeln“
Das Gericht sei deshalb übereinkommen, eine „glimpfliche Strafe“ von drei Jahren zu verhängen. Davon müsse der Angeklagte bei guter Führung womöglich nur die Hälfte der Zeit einsitzen und könne danach eine Therapie antreten, zeigte Fritsch auf. Wie der Richter betonte, sei eine Bewährungsstrafe trotz der bis dahin „tadellosen Biografie“ und der aufrichtig gezeigten Reue des Angeklagten für das Gericht nicht in Betracht gekommen. Denn: „Es wurde gegen eine der grundlegendsten Spielregeln unserer Gesellschaft verstoßen. Das Leben eines anderen darf nicht angetastet werden“, unterstrich Fritsch.
Neben der Haftstrafe ordnete das Gericht noch die Einziehung der Fahrerlaubnis für eine Dauer von vier Jahren an.