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Innovation versus Kosten

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Von: Alexandra Rimkus

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Bei Schloss Neuschwanstein brennen bereits smarte Solarleuchten.
Bei Schloss Neuschwanstein brennen bereits smarte Solarleuchten. © Photinus GmbH

Bürgermeister Siegfried Czerwinski würde in Tannhausen bei der Straßenbeleuchtung gerne auf smarte Solartechnik setzen - der Gemeinderat bremst und warnt vor zu hohen Kosten.

Tannhausen.

Sie hätten Vorreiter werden können. Am Ende überwogen aber die Bedenken. Die Gemeinde wird ihre Straßenbeleuchtung nicht - wie von Bürgermeister Siegfried Czerwinski propagiert - auf smarte Solartechnik umstellen. Zumindest vorerst nicht. Die Gemeinderäte meldeten Zweifel an. Nicht an der innovativen Technik, wohl aber an der Finanzierung des Vorhabens.

Zu der Sitzung hatte sich Czerwinski einen hochinteressanten Gast eingeladen. Christian Stemer, Vertriebsleiter der Firma Photinus GmbH aus dem österreichischen Vorarlberg, war extra nach Tannhausen gekommen, um hier für seine hochinnovativen Straßenleuchten zu werben. Das Produkt der Firma aus Österreich ist so spannend, dass sich am Montag selbst die Aalener Hochschulprofessorin Dr. Martina Hoffmann im Zuhörersaal einfand, um dem Vortrag von Stemer zu lauschen.

Zuvor hatte Czerwinski noch einleitend erklärt, dass bei der Straßenbeleuchtung in der Gemeinde Tannhausen Handlungsbedarf bestünde. Konkret in der Hauptstraße und in der Thannhäusener Straße. Wobei der Bürgermeister anmerkte, dass in diesen Bereichen nicht nur die Leuchten alt und anfällig seien, sondern auch die Stromkabel. 52 Prozent des Netzes sei älter als 40 Jahre. „Hier werden wir  kurz- bis mittelfristig tätig werden müssen“, erklärte der Bürgermeister.

In einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hatte die Verwaltung deshalb zwei mögliche Sanierungsvarianten gegenübergestellt: Zum einen die Umstellung auf LED, die  rund  1,076 Millionen Euro kosten würde - wobei  der größte Brocken (9130 000 Euro) auf den Austausch der alten Kabel entfiele. Zum Zweiten die Umstellung auf reine Solarleuchten, wo mit  „nur“ 648 000 Euro an Kosten zu rechnen sei. 

Licht an 365 Tagen im Jahr

Trotz der günstigeren Kalkulation konnten sich die Räte für die zweite Variante nicht so recht erwärmen. Was nicht an den österreichischen Leuchten lag. Stemer versicherte in der Sitzung glaubhaft, dass die Solarleuchten seines Unternehmens - das auf dem Gebiet als Weltmarktführer gilt - einwandfrei funktionieren. Und das garantiert an 365 Tagen im Jahr, bei Wärme und auch bei Kälte. „Unser Konzept ist ausgereift, wir sind an all unseren Standorten ohne einen einzigen Ausfall durch diesen Winter gekommen“, betonte der Firmenvertreter.

Und von diesen Standorten gibt es mittlerweile einige. Die Leuchten von Photinus brennen unter anderem an der Skisprungschanze Holmenkollen in Norwegen ebenso wie bei Schloss Neuschwanstein oder am neuen Radschnellweg Frankfurt - Darmstadt. Auch eine erste Gemeinde hat sich schon an die neue Technik gewagt und die Straßenbeleuchtung komplett umgestellt. In  Vaz/Obervaz (Schweiz) stehen seit einigen Monaten ausschließlich smarte Solarlampen, die CO2-frei arbeiten und die Stromkosten auf null senken. Eine bedarfsorientierte Steuerung verhindert Lichtverschmutzung. Die Leuchten brennen auf niedrigem Grundniveau; eingebaute Bewegungssensoren lassen sie nur im Bedarfsfall auf 100-prozentige Helligkeit hochdimmen. Die Haltedauer beträgt 30 Sekunden, danach geht's zurück auf zehn Prozent Grundhelligkeit. In Vaz/Obervaz habe sich diese Technik bewährt, sagte Stemer. Lampen und Akkus seien wartungsfrei - für wenigstens zehn Jahre. Das garantiere sein Unternehmen.

Trotzdem entschieden sich die Tannhausener Gemeinderäte am Ende nicht für das Leuchtturm-Projekt. Gemeinderat Gerhard Körner äußerte Zweifel, dass man in Tannhausen tatsächlich über 50 Prozent des Stromkabelnetzes austauschen müsse. Das Ganze lasse sich  günstiger bewerkstelligen. Und 650 000 Euro für die Umstellung auf Solarleuchten seien für eine 1900 Einwohner-Gemeinde wie Tannhausen eine echte Hausnummer. „Wir haben mit unserem letzten Haushalt die Verschuldung bereits enorm hochgejagt. Ich frage mich, ob dafür jetzt der richtige Zeitpunkt ist“, gab Körner zu Bedenken. Er verwies auf Nachbargemeinden, die ihre Straßenbeleuchtung auch saniert und dabei konsequent auf LED-Technik gesetzt haben. Aus Körners Sicht aus gutem Grund: Es sei ein einfach ein Unterschied, ob für eine Leuchte 500 Euro (LED) oder 5000 Euro (Solar) gezahlt werden müssten. Und die Energiekosten ließen sich mit LED auch auf ein Minimum senken.

Unterstützung bekam Körner unter anderem von Wolfgang Wille. „Wenn wir das Geld hätten, wäre ich dabei. Aber wir haben es nicht.“ Richard Bosch sah es ähnlich. Ihm gefalle die smarte Idee, aber wirtschaftlich sei es für Tannhausen derzeit kaum darstellbar. Jürgen Köpfer merkte an, dass die Gemeinde aktuell viele Pflichtaufgaben zu erledigen habe. „Das wäre nur Kür.“ Bettina Kohnle erinnerte daran, dass im Neubaugebiet Roderslache ohnehin Solarleuchten installiert werden sollen. Da könne man erste Erfahrungswerte mit der Technik sammeln.

Sperrvermerk bleibt

Bürgermeister Czerwinski warb trotz des Gegenwinds unverdrossen für die neue Technik. Es gehe nicht darum, öffentliches Geld zu verschwenden. „Es geht um die beste Lösung für die Gemeinde“, unterstrich der Verwaltungschef. „Wir können zum Vorreiter werden oder wir machen es wie alle anderen und nehmen LED.“ Gar nichts zu machen, sei die günstigste, aber auch die schlechteste Option.

Und auf genau die verlegte sich der Gemeinderat - allerdings nur vorerst. Nach reger Debatte plädierte das Gremium mehrheitlich dafür, einen entsprechenden Haushaltsperrvermerk im Bezug auf die geplante Sanierung der Straßenbeleuchtung noch nicht aufzuheben. Damit findet keine Umrüstung - weder auf Solar- noch auf LED-Technik - statt. Konsens war lediglich, im Neubaugebiet auf smarte Solarleuchten zu setzen.

Mehr aus der jüngsten Sitzung des Gemeinderats Tannhausen lesen Sie hier:

Tannhausener Räte machen sich für Klinikallianz im Osten stark

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