Was die Fasnacht wirklich ausmacht

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Peter Bauer mit einer Maske des "Wilden Heer" der Rösena.
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Peter Bauer aus Röhlingen hat die Geschichte der Fasnacht erforscht und arbeitet in den Karnevalsverbänden daran, die vielfältige Tradition als Weltkulturerbe zu schützen.

Ellwangen-Röhlingen

Die meiste Zeit des Jahres arbeitet Peter Bauer im Landratsamt des Ostalbkreises. In der Außenstelle Ellwangen beim Geschäftsbereich Verkehrsinfrastruktur ist er Sachgebietsleiter Betrieb und Verkehr. Doch wenn die „fünfte Jahreszeit“ kommt, wird in ihm der Fasnachter wach. Dann ist er unter der Maske des „Jägers“ mit dem „Wilden Heer“ der Rösena unterwegs und wird zum Ankläger beim Röhlinger Narrengericht.

Wild, laut, verrückt und frei, das sind Attribute, die man gerne mit der Fasnacht verbindet. Peter Bauer sieht darin auch die besondere Anziehungskraft, die so viele Menschen als Aktive in die Zünfte und Gruppen zieht, die mit ihren Aktivitäten und Veranstaltungen der Wildheit einen Rahmen geben. Die ganze Narretei sei letztlich das Fortführen von uralten Sitten, Bräuchen und Eigenarten. Über deren Ursprung und tieferen Sinn denken viele nicht nach, die einfach nur Spaß haben wollen.

Peter Bauer hat sich seit Jahrzehnten tief in die Geschichte der schwäbisch-alemannischen Fasnacht eingearbeitet. Durch sein enormes Wissen ist er ein geschätzter Fachmann, der vom Fernsehen und Rundfunk als Kommentator zu großen Fasnachtsumzügen gerufen wird.

Kein geborener Fasnachter

„Dabei bin ich kein geborener Fasnachter. Schuld daran ist nur meine Frau“, zeigt er auf Ilse Bauer, die bei den Rösena unter anderem für die Pressearbeit zuständig ist. Er ist im Münstertal bei Freiburg aufgewachsen, sie in Engen am Hohentwiel. Während seine Familie keinen besonderen Bezug zur Fasnacht hatte, gab es in ihrer schon immer Hästräger und so kam es, dass er mit unter die Maske schlüpfte und erfuhr, was Fasnacht ist.

Allerdings reichte es Peter Bauer nicht, bei Umzügen mitzulaufen und bei Narrentreffen aufzutreten. Er wollte genau wissen, wie alles zusammenhängt und kniete sich tief in die Geschichte der Traditionen, der Masken und Symbolfiguren und wurde so zum Experten.

Als die Familie Bauer 1987 nach Röhlingen zog, war man zunächst während der Fasnacht immer im Hegau. Erst als die Tochter in der Kindergarde der Rösena zu tanzen anfing, musste man wohl oder übel auf der Ostalb bleiben und kam der örtlichen Narretei näher.

Die war mit den karnevalistischen Einflüssen so ganz anders als das, was die Bauers aus dem Hegau kannten. „Ich weiß noch wie wir beim Umzug in Lauchheim am Straßenrand standen und dachten: Soll das jetzt unsere Fasnacht sein? Zum Zuschauen verdammt?“

Nein, Zuschauer wollten sie nicht bleiben, andererseits war ihnen das Treiben mit Faschingsprinz und -prinzessin, Garden und Elferräten doch recht fremd. „Ich merkte aber bald, dass es nicht Karneval war, was die hier machten. Eher eine hybride Fasnacht. Die alten Bräuche mit Häs und Masken waren nur aus der Mode gekommen“, so Bauer.

Maskengruppe gegründet

Ein Relikt dieser alten Zeit ist für Peter Bauer der Strohbär, der bis heute das Wappen der Rösena schmückt. Die Maskenfasnacht musste nur wiederbelebt werden. Und so entstand das „wilde Heer“, angelehnt an eine Sage aus der Oberamtsbeschreibung, gegründet von Franz Mündel, Hans-Peter Müller und Peter Bauer 1997.  Die hölzerne Maske schnitzte Markus Thor. Die Gruppe, die schnell  größer wurde, nahm an Umzügen teil und ging in der Fasnachtswoche „maschkern“. Man besuchte im Häs Bekannte und Nachbarn, die erst herausfinden müssen, wer denn da unter der Maske steckt.

Das „Maschkern“

Das „Maschkern“ kannten viele Ältere noch gut aus ihrer Kindheit. Als es noch kaum öffentliche Veranstaltungen gab, waren die Hausbesuche der unterhaltsame Ersatz und oft genug hatte man dabei mehr Spaß und es wurde ausgiebiger gefeiert als bei mancher Saalfasnacht.

Aus den Reihen des „Wilden Heeres“ kam auch der Vorschlag, einen Narrenbaum aufzustellen. Vorbild dafür gab es ebenfalls im schwäbisch-alemannischen Raum, wo vielerorts Narrenbäume ähnlich wie Maibäume stehen.

Der Narrenbaum

Der in Röhlingen sollte aber anders aussehen. Vorbild war der Wurzelstock, den der „Jäger“ des wilden Heeres trägt, die Wurzel nach oben. Es war nicht einfach, einen Baum so auszugraben, dass der Wurzelstock erhalten bleibt und das Monstrum auch noch sicher im Boden zu verankern. Doch als 1999 der erste Maibaum stand, wurde dies bald von weiteren Städten und Ortschaften aufgegriffen. Zwei Jahre später stand ein solcher Narrenbaum auch in Ellwangen und von hier ging die Idee hinaus in die Region.

Das Narrengericht

Ebenfalls 1999 veranstaltete das „wilde Heer“ der Rösena das erste „grobgünstige Narrengericht“, inspiriert vom Stockacher Narrengericht. „Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, die Narrenfreiheit ausleben, mit Wortwitz, mit Situationskomik aber immer mit Respekt“, erzählt Peter Bauer, wie diese „Gerichtsverhandlungen“ am Fasnachtsdienstag in der Mühlbachhalle aufgezogen sind. Angeklagt werden Personen des öffentlichen Interesses, nicht nur aus Röhlingen, sondern auch aus Ellwangen. Das Narrengericht ist völlig frei, es gibt weder Eintrittskarten noch sonstige Zugangsbeschränkungen. Wer rechtzeitig da ist, bekommt einen Sitzplatz und erlebt eine witzige und pointierte Verhandlung.

Fasnacht braucht Regeln

Dass die Fasnacht auch immer wieder in Verruf gerät, findet Peter Bauer sehr bedauerlich. Überzogener Alkoholkonsum, Vandalismus, Verstöße gegen den Jugendschutz oder gar echte Körperverletzungen wie 2018, als eine junge Frau während eines Umzugs in einem „Hexenkessel“ Verbrühungen erleidet, sind für ihn nicht Teil der Narretei.

Der Kern der Fasnacht ist nicht Party, Hemmungslosigkeit und „über die Stränge schlagen“, sagt er. Humor, Witz und Schabernack haben ihre natürlichen Grenzen, wo sie andere verletzen. „Die Verbandsarbeit hat unter anderem das Ziel, klare Regeln zu formulieren, damit es nicht zu Exzessen kommt“, sagt Bauer, der im Brauchtumsausschuss des Landeskarnevalverbands (LWK) und im Vorstand des Bund deutscher Karnevalvereine (BWK) aktiv ist.

Fasnacht und Alkohol

Klare Grenzen braucht für Peter Bauer auch der Alkoholkonsum: „Auftreten mit der Maske, die Bierflasche in der Hand, das geht für mich nicht.“ Eine Reglementierung freilich sei schwierig, Alkohol manchen dabei, ihre Hemmungen abzubauen.

Wenn man sich allerdings als Gruppe präsentieren möchte, dürfe Alkohol nicht bestimmendes Element sein. „Kinder beispielsweise erkennen Betrunkene sofort, auch hinter der Maske“, erzählt Bauer. Der Maskenmeister könne deshalb Betrunkene vom Umzug ausschließen. Die im Verband organisierten Maskengruppen tragen beim Auftritt eine Nummer oder einen Bändel am Häs, womit sich die Person jederzeit identifizieren lässt. „Viele Vereine haben erkannt, dass zu viel Alkohol dem Image schadet, und schenken keinen Schnaps mehr aus“berichtet Bauer.

Es muss zeitlich begrenzt bleiben

Wichtigste Fasnachtsregel ist für Bauer der Beginn und das Ende. Nach Fasnachtsdienstag noch Häs zu tragen, das gehe gar nicht. Dazu gab es vor allem in den letzten Jahren kontroverse Diskussionen. „In den Pandemiejahren war der Druck sehr groß, Umzüge in den Sommer zu verlegen“, sagt er. Manche Vereine hätten ihre Veranstaltungen an Sponsoren vermarktet und gerieten durch die coronabedingten Beschränkungen in finanzielle Notlagen. Darin zeige sich ein weiterer Trend, gegen den sich die Verbände stemmen: die Kommerzialisierung.

Die Vermarktung der Fasnacht hemme die freie Kreativität, die sich in immer wieder neuen Gruppen, Veranstaltungen und Aufführungen ausdrückt, glaubt Bauer. Er setzt sich dafür ein, dass der ursprüngliche Geist sichtbar bleibt.

Bald Unesco Weltkulturerbe?

Im Brauchtumsausschuss des BDK arbeitet er daran mit, die schwäbisch-alemannische Fasnacht und den rheinischen Karneval insgesamt als Weltkulturerbe zu schützen. In das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes sind sie bereits aufgenommen.

Info: Vom Ursprung der Fasnacht berichtet Peter Bauer auch auf YouTube.

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