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Die Zigarre mit der längsten Asche

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Von: Cornelia Villani

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Sobald die Zigarre brennt, brauchen die Männer eine ruhige Hand.
Sobald die Zigarre brennt, brauchen die Männer eine ruhige Hand. © Cornelia Villani

Vor 60 Jahren gründete Holger Illgs Vater einen Zigarrenclub, eigens für einen Rauch-Wettbewerb am Karfreitag. Worum auch dieses Jahr in Lorch gewetteifert wurde.

Lorch

Armin Geiger schaut auf sein Handy: „Es ist 14.07 Uhr und das diesjährige Zigarren-Wettrauchen beginnt jetzt“, sagt er und startet die Stoppuhr auf dem Smartphone. Ihm gegenüber beginnen sechs Männer mit bedächtigen Bewegungen, ihre Zigarren anzuzünden.

Vor 60 Jahren begründete Siegfried Illg eine Tradition, die sein Sohn Holger und einige Freunde bis heute aufrechterhalten. „Wir treffen uns als Zigarren-Raucherclub jeden Karfreitag und veranstalten ein Wettrauchen“, erklärt Holger Illg. Und zwar gewinnt derjenige, dessen Zigarre am längsten keine Asche verliert.

Reinhard Kraft zeigt ein Foto von Holger Illg im vergangenen Jahr. Der Lorcher zieht an einer senkrecht gehaltenen Zigarre, die eigentlich nur noch aus Asche besteht. „Da habe ich gewonnen“, bestätigt Illg zufrieden.

Kein Windhauch durch ein offenes Fenster darf da kommen, keine zittrige Hand den Ascheturm bewegen. Die Kunst sei, einerseits selten genug an der Zigarre zu ziehen, so dass sie langsam herunterbrennt, erklärt Reinhard Kraft. „Und gleichzeitig muss man so oft dran ziehen, dass die Zigarre nicht ausgeht.“ Wäre das der Fall, dürfe man zwar einmal zum Streichholz greifen. „Aber die Gefahr ist groß, dass die Asche beim Anzünden abfällt.“ Kraft hat das Wettrauchen schon dreimal gewonnen. Er und Holger Illg werden von den Männern als Favoriten gehandelt. Tatsächlich wird später ein anderer triumphieren.

Dass die Zigarre nicht ausgeht und gleichzeitig nicht ascht, das ist die Kunst.
Dass die Zigarre nicht ausgeht und gleichzeitig nicht ascht, das ist die Kunst. © Cornelia Villani

Mitraucher Rolf Wachovius schiebt einen gefalteten Zettel über den Tisch: „Das hat mein Vater irgendwann geschrieben“, sagt Holger Illg. Unter die Überschrift „Jubiläum des Zigarren-Raucherclubs Enderbach“ hat Siegfried Illg handschriftlich festgehalten, wie das Wettrauchen entstand. „Gegründet am Karfreitag 1963 von Siegfried Illg und dem Lehrer der Meisterschule Stuttgart Charly Klotz“, hat er notiert. „Damals lag draußen Schnee und die Männer saßen in der Gaststätte Lamm zusammen“, ergänzt Sohn Holger. Vater Siegfried schreibt von „tischhohem Schnee“ und zwölf Rauchern beim ersten Wettbewerb. „Die Gründung war ganz einfach: Das Gesprächsthema ging aus, da habe ich zu meinem Lehrer Charly gesagt, jetzt rauchen wir eine Zigarre.“ Wessen Asche zuerst falle, zahle eine Flasche Wein. Seitdem hätten sich immer wieder Raucher aus der Gegend am Karfreitag getroffen: „Sogar ein Rechtsanwalt aus Tübingen“.

An diesem Karfreitag sitzen sechs Raucher in Lorch, neben Illg, Kraft und Wachovius sind Christian Haas, Jürgen Bazzi und Benny dabei. „Mein Vater ist leider schon lange gestorben“, sagt Illg. Er selbst mache mit, seit er 17 oder 18 Jahre alt war. „Dabei bin ich eigentlich Nichtraucher“, grinst er. Das sagen die meisten anderen auch: „Aber für die Gaudi heute rauchen wir mit.“

Warum in Lorch, wenn das Ganze doch in Alfdorf-Enderbach begann? Das Gasthaus zum Lamm in Enderbach sei lange der Treffpunkt gewesen, erzählt Holger Illg: „Bis man dort nicht mehr rauchen durfte.“ Seit einigen Jahren versammelt sich die Gruppe deswegen in der Lorcher Raucherkneipe „Marina’s Bierstüble“. Die Wirtin macht die Gaudi gerne mit: „Das ist doch eine witzige Sache“, nickt Marina Sfyri. Sie habe für die Gruppe auch extra ein Essen parat, für hinterher. Dann sitze die Tischrunde nämlich noch lange gemütlich zusammen. Der Wettkampf sei nur der Anfang.

Den dieses Jahr Christian Haas gewinnt, nach 115 Minuten. Der jüngste Teilnehmer erhält den Pokal, den der Club eigens anfertigen ließ. Allerdings nur für ein Jahr: Um den Wanderpokal geht es dann am nächsten Karfreitag erneut.

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