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Seit fünf Jahren im Wachkoma: Auszeit vom Kraftakt der Fürsorge

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Von: Anja Müller

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Seit fünf Jahren befindet sich Wolfgang Knecht im Wachkoma, seine Frau Ulrike ist seit seinem Herzinfarkt Tag und Nacht für ihn da.
Seit fünf Jahren befindet sich Wolfgang Knecht im Wachkoma, seine Frau Ulrike ist seit seinem Herzinfarkt Tag und Nacht für ihn da. © privat

Seit fünf Jahren pflegt Ulrike Knecht ihren Mann Wolfgang, der nach einem Herzinfarkt im Wachkoma liegt. Jetzt will der Verein Füreinander Alfdorf dafür sorgen, dass die Familie eine Pause bekommt.

Alfdorf-Vordersteinenberg

Seit fünf Jahren befindet sich Wolfgang Knecht aus Vordersteinenberg im Wachkoma. Und seit fünf Jahren kümmert sich seine Frau zu Hause um ihn. „Wir haben eine ganz tolle Familie“, sagt Ulrike Knecht. Auch der Pflegedienst ist in der Regel tagsüber da und Verwandte und Nachbarn seien stets bereit zu helfen, erzählt die 56-Jährige. Dennoch ist diese Fürsorge ein großer Kraftakt und geht auch an die finanziellen Ressourcen. Zeit zum Abschalten, die über einen Kaffee mit Freunden oder einen Waldspaziergang hinausgeht, hat Ulrike Knecht nicht. Das will der Verein Füreinander Alfdorf nun ändern. Eine Spendenaktion soll der Familie Knecht einen Urlaub ermöglichen.

Zusammen mit ihrer Tochter Laura Kramer erzählt Ulrike Knecht, wie sich das Leben der Familie seit jenem Apriltag 2017 geändert hat, als ihr Mann, damals 55, beim Reifenwechseln mit einem schweren Herzinfarkt mit Herzstillstand zusammengebrochen ist. Nur das Geräusch des Absauggeräts unterbricht in regelmäßigen Abständen ihre ruhige Schilderung, wenn Intensivpflegerin Gisela Quantscher Sekret durch die Trachealkanüle absaugt, durch die Wolfgang Knecht atmet. Ab dem späten Nachmittag bis morgens ist Ulrike Knecht mit dieser und allen anderen Pflegeaufgaben allein. An Geräten hat sie alles Nötige im Haus, bringt ihren Mann ins Bett, lagert ihn um, und saugt „alle zwei bis drei Stunden, wenn's arg gut läuft“ Sekret ab. Um 6 Uhr steht sie auf, um 9 Uhr kommt der Pflegedienst. Zwar könnte dieser Wolfgang Knecht auch nachts versorgen. Doch die private Zeit mit ihrem Mann ist Ulrike Knecht wichtig. Sie verbringen die Abende beieinander im Wohnzimmer. Zur Zeit etwa gibt's „sehr viel Sport im Fernsehen“. Denn Wolfgang Knecht, der zuerst sportlich, später einfach stets präsent war im SV Hintersteinenberg, hat sich dafür schon immer sehr interessiert.

Dafür, dass ihr Mann daheim sein kann, „dafür nehme ich die Nächte in Kauf“, sagt Ulrike Knecht, gesteht aber auch ein: „Ich komme relativ oft an meine Grenzen.“.

Die Intensivpflege ist auch ein finanzieller Kraftakt. In der Erdgeschosswohnung in Ulrike Knechts Elternhaus ist das Bad nach den Bedürfnissen ihres Mannes umgebaut. Es gibt ein Pflegebett und einen Deckenlift im Schlafzimmer, das einem Intensivpflegezimmer gleiche. Und Wolfgang Knecht kann in seinem Spezialrollstuhl aufgerichtet werden bis zur Senkrechten - „das ist wichtig fürs Aufwachen“, sagt Ulrike Knecht. Außerdem hat die Familie ein rollstuhlgerechtes Auto angeschafft. „Wir nehmen ihn gern mit, wo es geht“, sagt Ulrike Knecht. Tochter Laura ergänzt: „Dann ist er immer wach.“ Beim ersten Geburtstag seiner Schwester, bei dem er nach dem Herzinfarkt dabeisein konnte, seien ihm Tränen übers Gesicht gelaufen. Bei Tochter Lauras Hochzeit haben sie ihn auf die Tanzfläche geschoben, „da hat die komplette Familie mit ihm getanzt“. Wenn die Therapeutin ihn auffordere, die Finger zu bewegen, reagiere er. Ebenso, wenn die Tochter ihm seine zwei Monate alte Enkeltochter in die Arme legt. „Wir haben ihn hier, wir können mit ihm reden“, das ist Laura Kramer ebenso wichtig wie ihrer Mutter.

Ulrike Knecht hat letztendlich ihren Job als Fotografin aufgegeben müssen, um sich der aufwendigen Pflege ihres Mannes voll widmen zu können. Mit dem Pflegegeld, das sie für ihren Einsatz erhält, und der Erwerbsminderungsrente ihres Mannes kommt sie zurecht. „Aber mehr geht eben nicht.“

An alles ist gedacht

Umso mehr freut sie sich, dass nun dank Füreinander Alfdorf eine Woche Urlaub für die ganze Familie - Sohn und Tochter samt Partnern und Kind sowie ihre Mutter und drei Pflegekräfte - in greifbare Nähe rückt. Sogar eine Unterbringung für ihren pflegebedürftigen Vater, um den sich Ulrike Knecht auch kümmert, habe die stellvertretende Vereinsvorsitzende Simone Latosik für diese Zeit gefunden.

Auch ein Ziel in der näheren Umgebung ist bereits greifbar: An den Brombachsee soll es gehen. Denn Wolfgang Knecht verträgt keine allzuweiten Fahrten, außerdem gebe es dort eine Unterkunft, die den Anforderungen an seine nötige Intensivpflege gerecht wird. Zugleich könne die Familie dort gemeinsam spazieren gehen, Schiff fahren oder einfach mal Freiraum genießen, freuen sich Ulrike Knecht und ihre Tochter.

Dass drei Pflegekräfte mitkönnen, sei wichtig, damit die Familie wirklich mal eine Woche täglich 24 Stunden ausspannen kann, sagt Gisela Quantscher, die Ulrike Knecht unterstützt, seit ihr Mann nach fünf Monaten Intensivpflege und Reha Ende Oktober 2017 nach Hause kam. Nach einer eintägigen Einführung in die nötigen Handgriffe in der Reha hatte Ulrike Knecht damals vor allem eins: „Angst.“ Mittlerweile kann sie's nehmen, wie es kommt. „Wir leben von einem Tag zum anderen.“

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