- VonDagmar Oltersdorfschließen
Wie die Stuttgarter Inszenierung beim Publikum ankommt und wie die Lebensgeschichte von Tina Turner auf der Bühne erzählt wird.
Stuttgart
Tina zeigt es allen - auch wenn es 20 Jahre dauert, bis es soweit ist. Ihrem gewalttätigen Ex-Mann Ike. Ihrer hartherzigen Mutter. Der von Rassismus geprägten Musikindustrie. Die als Anna Mae Bullock geborene Sängerin ist 40 Jahre als, als sie eine atemberaubende Solokarriere startet und zum Rock-Superstar wird. Das Musical „Tina“ zeichnet ihr Leben nach - mit alle ihren Hits. Am Donnerstag feierte Stage Entertainment die Stuttgarter Premiere im Apollo Theater. Das Publikum folgt gebannt einer überragenden Hauptdarstellerin, die wohl nur vom Original zu toppen wäre - und einem fantastischen Ensemble. Nach der Show jubelte es minutenlang und wurde noch mit einem kurzen Zusatzkonzert belohnt.
Für Anna Mae, so wie Tina eigentlich heißt, stehen die Zeichen aber zunächst sehr schlecht. Schon in der Ehe ihrer Eltern regiert die Gewalt - und ihre Mutter Zelma empfindet ihre jüngste Tochter als den Dorn in ihrem Leben - und als viel zu laut im Kirchenchor. Zelma schnappt sich Maes ältere Schwester Alline und verlässt die Familie, kurz darauf geht auch der Vater - Anna Mae wächst bei ihrer Großmutter.
Fransen, Pailletten und Pilzkopf
Die sitzt im Schaukelstuhl und warnt ihre Enkelin, die Liebe nicht dort zu suchen, wo sie nicht ist. Sie wird es trotzdem tun. Da ein Bett, hier eine Tür, ein karges Tonstudio, in dem die ersten Computer Einzug halten. Videoinstallationen, mit sich ständig anpassendem Licht nehmen mit auf die Straßen, die Tina von einem Ort zum anderen bringen, zaubern Sternennächte und Clubatmosphäre. Nur ein paar Schirme trägt das Ensemble etwa im Hintergrund bei „ I can't stand the rain“ - ein Bild, das steht, aber im Gedächtnis bleibt - aber kein Bühnenbombast. Das hilft der Inszenierung - neben rasanten Choreographien zu Tinas Auftritten - Tempo und Schritt zu halten, mit einem Leben, das sich ständig wandelt.
Und mit ihm die Mode. Ike Turner wechselt die Frisuren wie die Frauen auf seiner Bettkante, vom Afro zum Pilzkopf - alle Veränderung hilft ihm nicht, er bleibt ein Schläger. Tina trägt Fransen, Pailletten und versteckt ihre Narben dahinter. Das Leder kommt erst, als sie sich neu erfindet. Keine Kostümorgie, aber herrlich bunt und den Wechsel der Jahrzehnte deutlich nachzeichnend. Alles stellt sich hier in den Dienst der Musik.
Aisata Blackman ist Tina Turner
Die ist schlichtweg großartig. Vom ersten Ton an entkommt man der Stimme der Hauptdarstellerin Aisata Blackman nicht. Kraftvoll, voller Gefühl, mal wütend, mal verzweifelt - aber immer voller Leidenschaft. Blackman singt wie Tina Turner, versucht sie aber nicht, diese zu imitieren - die meisten Texte sind ohnehin ins Deutsche übersetzt - und dokumentieren deutlich ihr Leben. Trotzdem stellt Blackman diesen Weltstar auf der Bühne perfekt da - jeder Schritt, jede Geste - die Wahlstuttgarterin hat diese Rolle komplett in sich aufgenommen. Carlos de Vries spielt Ike überzeugend unsympathisch - ein Verlierer, der alles kontrollieren will und für Tina auch nach der Trennung und der neuen Liebe zu dem Deutschen Erwin Bach Schreckgespenst ist.
Aber Tina lässt sich nicht unterkriegen - nicht im Leben, nicht auf der Bühne. „Let's stay together“, „What's love got to do with it“ und, und - und am Ende „Simply the best“ und „Nutbush City Limits - mit Liveband auf der Bühne und einem Publikum, das immer mehr will und mitsingt. Der Hammer!