Helmut Hattler: der Mann mit dem magischen Bass

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Hattler feat. Fola Dada
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Hellmut Hattler schreibt seit über 50 Jahren mit „Kraan“, „Tab Two“ und anderen Musikgeschichte. Er hat immer wieder neue Sounds geboren und erzählt im Interview, was ihn in Bewegung hält.

Ellwangen/Ulm. Der Bassist Hellmut Hattler (70) hat Musikgeschichte geschrieben, seitdem er 1971 mit Peter Wolbrandt, Jan Friede und Johannes Pappert die Jazz-Rock-Band „Kraan“ gegründet hat. „Kraan“ machte international Furore, prägte die Krautrockära und gibt bis heute Konzerte.

1987 griff Hattler mit dem Trompeter Joo Kraus als „Tab Two“ Elemente aus Hiphop, Acid-Rock, Trip Hop auf und machte daraus einen eigenen tanzbaren Sound, der die Clubszene und Jazzfans begeisterte. Als „Hattler“ trat der Bassist erstmals 2000 auf und überraschte erneut mit einem frischen Sound: junge Musiker, elektronische Loop-Effekte und seit 2006 die Sängerin Folo Dada bringen Elektro, Jazz und Soul zusammen. Seit 2008 tritt Hattler zudem mit der Gospelsängerin Siyou Isabelle Ngnoubamdjum als „Siyou n‘Hell“ auf.

Diese stetige Weiterentwicklung seiner Musik, immer erkennbar am typischen Hattler-Bass, ist in bislang rund 60 Produktionen dokumentiert. Heute tritt Hellmut Hattler regelmäßig mit „Kraan“, mit „Siyou n‘Hell“, mit „Hattler“ und gelegentlich auch mit Joo Kraus auf. Vor dem „Hattler“-Gastspiel im Ballroom in Ellwangen am 25. März sprachen wir mit ihm über seine Musik und sein Leben.

Schwäbische Post: Es vergeht kaum eine Woche, in der du nicht mit Kraan, Hattler, Siyoun‘Hell, TabTwo oder einer anderen Band irgendwo auf der Bühne stehst. Ist das nicht stressig?

Hellmut Hattler: Doch, das ist schon auch anstrengend. Voriges Jahr habe ich das mal richtig ausgereizt, 20 Konzerte in 30 Tagen. Ich wollte schauen, was der Körper noch mitmacht. Das ging dann schon. Ich brauche den Kontakt zum Publikum. Ich muss immer etwas vorhaben, kreativ sein, Musik machen. Das hält mich in Bewegung.

Du hast einmal in einem Interview gesagt, damals in Wintrup, wo du mehrere Jahre mit den Kraan-Musikern in einer WG auf dem Land gelebt hast, wolltest du einfach nur 24 Stunden am Tag Musik machen.

Das ist heute noch genauso. Ich mache am liebsten Musik und alles was damit zu tun hat. Ich komme gerade aus dem Studio, da nehme ich Sachen auf, probiere Ideen, die mir oft kommen, wenn ich unterwegs bin und Konzerte spiele. Die Zeit, das aufzunehmen, weiterzuentwickeln, habe ich nur, wenn gerade keine Konzerte sind.

Du hast mit deiner Musik, mit verschiedenen Formationen, so oft Grenzen überschritten, Neues ausprobiert, technische Entwicklungen aufgenommen. Ist diese Kreativität die Suche nach etwas, nach dem perfekten Sound, oder nur die Lust am Entdecken?

Ich würde sagen, ich bin einfach offen. Neue Tools, neues Gerät oder auch Personen, neue Musikerinnen und Musiker inspirieren mich. Da fange ich schnell Feuer und es passiert etwas. Ich würde sagen, ich lasse mich gern von den Musen verführen. 

Wie wichtig sind für deine Musik die Wurzeln, die Anfänge mit Kraan in den Siebzigern?

Die Anfänge waren die Weichenstellung schlechthin. Die Freiheit dieser Zeit hat mir erlaubt, das zu finden, was zu mir passt. Damals war alles erlaubt, wir konnten experimentieren, ausprobieren, mit der Musik Dinge versuchen, von denen wir noch keine Ahnung hatten. Da war kein Erfolgsdruck, kein Gedanke an Karriere. Die Zeit war politisch aufgeladen. Wir wollten weg von dieser deutschen Nazi-Vergangenheit und ließen uns dabei von allem Möglichen inspirieren, arabische Musik, fernöstliche Mystik. In Kraan haben sich Leute gefunden, die auf einer Wellenlänge waren und perfekt harmonierten.

Und nach über 50 Jahren noch immer zusammenspielen. 

Das liegt auch an der Musik von Kraan, die viel Freiheit lässt für alle. Jeder kann improvisieren, sich ausleben, keiner muss den Frontman machen, wir sind auf Augenhöhe.

Wie war das eigentlich mit Erna Schmidt? Habt ihr die Band aus Schwäbisch Gmünd wirklich rausgedrängt aus der Kommune in Wintrup?

Nein, so war das nicht. Erna Schmidt waren gerade erst in dieses Rittergut eingezogen, aber sie kamen nicht richtig klar. Dem Walter Laible war das alles zu spooky, der packte seine Sachen und zog wieder aus, die Band löste sich auf. Dann riefen sie mich an, ob ich ihre letzten Gigs noch mitspielen kann. Ich fuhr hoch, obwohl das mit Kraan schon lief, lebte drei Wochen mit denen. Anstatt zu proben wurde viel philosophiert und das Haus eingerichtet. Dann hieß es, die anderen von Kraan könnten doch auch mal kommen. Die kamen dann auch, aber gleich mit dem Umzugwagen. Das war ein Mißverständnis, aber kein Problem, das Haus war ja riesig und Erna Schmidt hatte sich aufgelöst. Wir wohnten dann ungefähr ein Jahr zusammen dort. Der Hubert Stütz versuchte noch, neue Musiker zu gewinnen. Aber mit seiner kritischen Art war das schwierig. „Woisch, du spielsch oifach scheiße“. Das könnte man auch anders sagen, dachte ich manchmal. Also rausgedrängt, nein, es war eher ein sanfter Übergang.

War es in den Siebzigern einfacher Musiker zu werden, von der Musik zu leben?

Jedenfalls einfacher als heute. Das Streaming macht viel kaputt, weil die Künstler von den Erlösen, die sie dort erzielen, nicht mehr leben können. Und es hindert die Musikerinnen und Musiker daran, Neues zu wagen. Als man noch LPs und CDs verkaufen konnte, hatte der Künstler eine finanzielle Beteiligung an seinen Produktionen, eine sichere Einnahmequelle. Heute geht das Geld an die Industrie und Einnahmen hat man nur noch, wenn man Konzerte spielt. Die Künstler haben keine Anreize mehr, etwas Neues zu schaffen außer der eigenen Besessenheit. Das ist ein riesiger Verlust für die ganze Kulturlandschaft.

Du wirkst so geerdet. War das schon immer so oder hattest du auch mal Angst wie so viele Kollegen vom Showbizz verschluckt zu werden, abzuheben oder an Drogen zu scheitern?

Nein, die Angst hatte ich nie. Wir haben uns aber auch nie der Industrie völlig ausgeliefert. Damals in Wintrupp hatten wir einen Manager, der dafür sorgte, dass wir von den Plattenfirmen nicht über den Tisch gezogen werden. Seit 2000 mache ich praktisch alles selbst: das Booking, die Produktionen bringe ich über mein eigenes Label heraus. Was nicht heißen soll, dass Verträge nicht auch hilfreich waren. Wenn man anfängt, kann es wertvoll sein, dass man einen Verlag hat, der Marketing macht, Tourneen organisiert.

Und wann kommt eine neue Platte raus?

Ich sammle gerade Material. Im Moment habe ich einige Ideen, die zu Kraan passen. Da kommt es natürlich drauf an, ob die anderen Lust dazu haben. Ich würde sagen: es kommt, wenn es kommt.

 

Tickets für „Hattler“ mit Folo Dada am 25. März, 21 Uhr im „Ballroom“ in Ellwangen gibt es bei Juwelier Hunke  und unter tobibrenner@gmx.de.

Foto: Steffen Meyer

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