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Wer einmal auf der Walz war ...

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Von: Jürgen Eschenhorn

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Bei ihren monatlichen Treffen machen die Zimmerer auch Besichtigungen von Bauwerken, hier am Schönenberg in Ellwangen.
Bei ihren monatlichen Treffen machen die Zimmerer auch Besichtigungen von Bauwerken, hier am Schönenberg in Ellwangen. © Jürgen Eschenhorn

Nach alter Tradition treffen sich sesshafte und reisende Zimmerleute des Schachtes „Freie Vogtländer Deutschland“ zum Stammtisch. Einblick in eine ganz eigene Welt.

Abtsgmünd/Aalen

Einmal im Monat treffen sich sesshafte und reisende Zimmerleute des sogenannten Schachtes „Freie Vogtländer Deutschland“  aus dem nordwürttembergischen Raum, die einmal auf Wanderschaft – sprich „auf der Walz“ – waren, in einem Gasthaus in Backnang zum Stammtisch, wie sie es selbst nennen. Mit dabei ist auch Michael Kopp, der Inhaber der gleichnamigen Oberalfinger Schreinerei. Diese Treffen sind nicht nur für die „sesshaften“ Zimmerer, sondern dazu stoßen auch sogenannte reisende Mitglieder der Vereinigung, die sich gerade im Umkreis aufhalten.

Nach der Tradition gehen viele Gesellen nach ihrer Ausbildung auf Wanderschaft, um andere Gegenden im deutschsprachigen Raum, aber auch Europa oder die ganze Welt kennen zu lernen. Kopp selbst war von 1999 bis 2003 unterwegs, in Deutschland und der Schweiz, dann in Spanien, Portugal, Island und Peru und Bolivien. Er schwärmt immer noch von dieser Zeit: „Toll ist die Freundlichkeit der Menschen, überall Hilfsbereitschaft, fast immer bekam man eine Schlafgelegenheit. Und die Erfahrungen, vor allem auch im Beruf, bringen einen weiter.“

Jeden dritten Freitag im Monat treffen sich rund 12 bis 15 angestellte und selbstständige Zimmerer sowie Reisende  in Backnang zum Erfahrungsaustausch in geselliger Runde. Immer wieder organisiert man auch ein besonderes Programm. Man traf sich – natürlich in traditioneller Kluft - in Abtsgmünd zur Besichtigung der Holzhandlung Bullinger. Geschäftsführer Hans-Jörg Bullinger führte die Gruppe durch den Betrieb, informierte über Arbeitsabläufe und die Philosophie der Firma in Sachen Nachhaltigkeit. So versorgt er sich energetisch weitgehend aus eigenen Abfällen und Abwärme.  „Das ist schon mal interessant, zu sehen, wo das Holz, mit dem man arbeitet, vorbereitet wird“, sagte einer der Zimmerer.

Bei einem Kaltgetränk tauschte man  mit Bullinger und dessen Vater Franz-Xaver Erfahrungen aus. Weiter ging es auf den Schönenberg nach Ellwangen, wo es um über früher übliche Bauweisen ging. Abschluss war dann ein gemütliches Beisammensein im Naturfreundehaus Braunenberg.

Zwei Niedersachsen auf der Walz

Unter den Teilnehmern waren auch drei derzeit Reisende. Jannis Friedrichs, 23 Jahre alt, ist erst seit vier Wochen unterwegs. Er kommt aus der Nähe von Oldenburg, dort hat er seine Ausbildung zum Zimmermann absolviert. Zunächst ging es nach Flensburg, dann nach Süddeutschland. Begleitet wird er derzeit nach den Regeln von Maurice Riraps, 22 Jahre, aus Barsinghausen. Er ist seit eineinhalb Jahren auf Wanderschaft und hat den „Frischling“ unter seine Fittiche genommen.

Zurzeit arbeiten beide für einige Wochen in einem Betrieb auf der Alb. „Wir möchten lernen, Länder und Menschen kennenlernen“, sagen die beiden. Weitergehen soll es dann in die Schweiz. Dort möchte Friedrichs das Decken von Dächern mit Schiefer kennenlernen. Weitere Ziele sind Spanien und Portugal, vielleicht Kanada. „Die Leute sind aufgeschlossen, wir werden unterstützt, erfahren viel Wertschätzung, lernen viel kennen“, sagt Maurice. Er möchte vielleicht nach Irland und Skandinavien. „Dort wird teilweise noch sehr traditionell mit Holz umgegangen, anders gearbeitet“, begründet er.

Sprachbarriere in Fernost

Der dritte Reisende, Noah Feith, kam erst später zum Treff, direkt aus Friedrichshafen mit einem Freund. Feith ist 22 Jahre und seit zwei Jahren auf Reisen. Wenige Tage vor dem Treffen kam er aus Vietnam und Indonesien zurück, wo er mit vier weiteren Reisenden unterwegs war. „Allerdings konnten wir da nur wenig arbeiten, weil die Leute auf dem Land kaum Englisch sprechen“, erzählt er.  

Nach Abtsgmünd begleitet wurde er von Felix Müller, 27 Jahre alt. Der führt inzwischen einen kleinen Betrieb in Mendig in der Eifel und studiert zurzeit in Friedrichshafen. Er war 2016 bis 2019 auf Wanderschaft, und habe sehr viel für seinen Beruf und die Selbstständigkeit gelernt, sagt Müller. „Man schafft sich ein Netzwerk, auf das man immer wieder zurückgreifen kann, das einen das ganze Berufsleben begleitet“, ergänzt er.

Nach einem interessanten Tag mit vielen Gesprächen trennte man sich wieder, die Reisenden machten sich nach einer Übernachtung am Braunenberg auf den Weg zu ihrer nächsten Station.

Mehr zum Thema: Nicht jeder darf in den Schacht

Die Zimmerer bei Holzbau Bullinger, im Gespräch mit Geschäftsführer Hans-Jörg Bullinger (rechts).
Die Zimmerer bei Holzbau Bullinger, im Gespräch mit Geschäftsführer Hans-Jörg Bullinger (rechts). © Jürgen Eschenhorn
Die Zimmerer bei der Besichtigung von Holzbau Bullinger in Abtsgmünd mit Geschäftsführer Hans-Jörg Bullinger (2.v.li.).
Die Zimmerer bei der Besichtigung von Holzbau Bullinger in Abtsgmünd mit Geschäftsführer Hans-Jörg Bullinger (2.v.li.). © Jürgen Eschenhorn
Nach der Besichtigung bei Holzbau Bullinger fand noch ein Fachgespräch über die Holzbaubranche statt.
Nach der Besichtigung bei Holzbau Bullinger fand noch ein Fachgespräch über die Holzbaubranche statt. © Jürgen Eschenhorn

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