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Böbinger Pflegeheim steht auf der Kippe

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Von: David Wagner

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Die Zukunft des Seniorenzentrums in Böbingen ist derzeit offen. Kann es wirtschaftlich weiter betrieben werden? Eine Entscheidung erwartet Bürgermeister Jürgen Stempfle Ende Januar.
Die Zukunft des Seniorenzentrums in Böbingen ist derzeit offen. Kann es wirtschaftlich weiter betrieben werden? Eine Entscheidung erwartet Bürgermeister Jürgen Stempfle Ende Januar. Foto: dav © dav

Auch nach zwei Jahren Verhandlungen mit Landratsamt und den Johannitern ist die Zukunft ungewiss. Laut Bürgermeister Jürgen Stempfle kommt die Entscheidung Ende Januar.

Böbingen

Die Zukunft des Böbinger Seniorenzentrums ist in der Schwebe. Auch hier sind wegen der neuen Regelungen durch die Landesheimbauverordnung bauliche Erweiterungen notwendig. In Mögglingen versucht die Gemeinde das nun umzusetzen und finanziell selbst zu schultern. „Das ist für uns in Böbingen nicht leistbar“, stellt Bürgermeister Jürgen Stempfle klar. Also versucht die Gemeinde einen anderen Weg zu gehen. Ob das allerdings aufgeht, ist derzeit offen.

Grundlage und Startpunkt des Böbinger Seniorenzentrums sei die Entwicklung des „Kleeblatt-Modells“ durch Dr. Peter Högerle vor 25 Jahren. „Er war schon damals ein Visionär“, meint Stempfle. Investoren hätten nur dort ihr Geld angelegt, wo es für sie wirtschaftlich sinnvoll war. Kleine Gemeinden wie Essingen, Mögglingen und Böbingen hätten so nie die Chance auf ein eigenes Pflegeheim gehabt, erinnert sich Stempfle. Dr. Högerle habe, „deutschlandweit einzigartig“, das Kleeblatt-Modell entwickelt: mit Heubach als großem Standort samt Verwaltung und Küche in der Mitte und den „Blättern“ Essingen, Mögglingen und Böbingen außenrum. Somit konnte laut Stempfle über Jahrzehnte das gewährleistet werden, was ja für alle das große Ziel sei: eine Versorgung alter und kranker Menschen in ihrem Heimatort. Möglich sei das alles nur dank enorm hoher Fördergelder gewesen, betont Stempfle. Etwas, das heute nicht mehr in Aussicht stünde.

Durch die Landesheimbauverordnung müssen unter anderem die Doppelzimmer weg. Dazu ist pro 15 Bewohner ein Gemeinschaftsraum vorgeschrieben. Für die 24 Bewohner in Böbingen bräuchte es laut Stempfle also zwei Gemeinschaftsräume im Obergeschoss des Seniorenzentrums. „So ein Konstrukt können wir nicht nachweisen“, bedauert Stempfle. Denn: Es sei ja ursprünglich gerade die Idee von Dr. Högerle gewesen, einen großen Gemeinschaftsraum für alle im Erdgeschoss zu haben. Hier konnten sich die pflegebedürftigen Menschen mit den fitten Senioren aus dem Dorf treffen, sogar die Kinder aus der Kindertagespflege kamen vorbei. „Besser geht's eigentlich nicht“, meint der Bürgermeister.

Die Gemeinde und die Betreiber der Johanniter hätten mehrfach versucht, von der Heimaufsicht des Landratsamts hier eine Befreiung zu bekommen, bisher erfolglos. Wobei die Heimaufsicht letztlich auch nur politische Vorgaben umsetzen müsse, wie Stempfle einräumt.

Ausnahme fürs Sondermodell?

Seit zwei Jahren versuche die Gemeinde zusammen mit den Johannitern eine Lösung zu finden. Die „Gesellschaft für soziales Planen“ habe in deren Auftrag eine Machbarkeitsstudie verfasst für ein Heim mit 30 Plätzen samt Gemeinschaftsraum. Die Überlegung sei gewesen, dass die Gemeinde den Johannitern das Heim im Zuge eines Erbpachtvertrages, gültig für 60 Jahre, für einen symbolischen Euro verkaufe. Im Gegenzug sollten sich die Johanniter bereit erklären, die 30 Pflegeplätze in Böbingen zu garantieren.

Seitens der Gemeinde sei der Vertrag von einem Juristen vorbereitet worden. Die „Gesellschaft für soziales Planen“ habe das Konzept aber für zu teuer befunden und sei nun mit einem eigenen beschäftigt, das die Experten für wirtschaftlicher hielten. Seines Wissens, so Stempfle, soll die Entscheidung darüber bis Ende Januar fallen.

Einrichtungsleiterin Jutta Krauß betont, die Johanniter seien "im Austausch mit Herrn Bürgermeister Stempfle und der Gemeinde Böbingen. Durch die Lage auf dem Bausektor war eine neuerliche Überarbeitung und Optimierung der Pläne erforderlich". 

Sollte die Entscheidung negativ ausfallen, wäre das aus wirtschaftlichen Gründen wohl das Ende des Seniorenzentrums. Gerade weil es so ein Erfolgsmodell sei, wäre der Frust dann riesengroß, sagt Stempfle. Aber gerade weil Böbingen als „Sondermodell“ und Teil des Kleeblatts so einzigartig sei, hoffe er darauf, dass die gemeinnützige Organisation der Johanniter es nicht fallen ließe. Gemeinsam mit den Kollegen aus Heubach, Mögglingen und Essingen werde er bis zuletzt alles Mögliche tun.

Der Ärger, dass dies alles überhaupt notwendig ist, sitzt bei Stempfle tief: „Die Bürokratie wird immer schlimmer und zerstört hier unnötigerweise funktionierende Strukturen“, meint er.

Personalschlüssel verschärft die Situation (auch) in Mögglingen:

Einrichtungsleiter Jutta Krauß betont, dass Pflegeheime ab einer Platzzahl ab 60 Plätzen wirtschaftlich geführt werden könnten. Ein wichtiger Grund dafür sei, dass die Landespersonalverordnung den Trägern eine bestimmte Personalausstattung für die Fachkräfte vorschreibe. Rund um die Uhr müsse neben weiteren Pflegekräften eine ausgebildete Pflegefachkraft eingesetzt werden. Für größere Häusern verursache der Personalschlüssel wesentlich weniger Kosten, während kleinere Pflegeheime mit unter 30 Bewohnern dieselbe Personalausstattung stellen müssten und im Ergebnis höhere Personalkosten pro Pflegeplatz anfielen.„Beispielsweise liegt der Personalschlüssel im Nachtdienst bei einer Pflegefachkraft für 45 Bewohner. Wir setzen im Pflegewohnhaus in Mögglingen denselben Schlüssel bereits für 26 Bewohner ein. Kommt es zu einem Verbot der Doppelzimmer in 2023 bräuchten wir dieselbe Personalausstattung für 24 Bewohner, verlören aber für zwei Heimplätze die Einnahmen“, erläutert Jutta Krauß. Durch die steigenden Personalkosten und Nebenkosten würde sich so das wirtschaftliche Defizit immer weiter vergrößern. 

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