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Wenn sonst nichts fährt: sie fahren!

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Von: David Wagner

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Sie stehen seit 25 Jahren bereit, um Menschen in Böbingen und darüber hinaus mobil zu halten: die ehrenamtlichen Fahrer des Elisabethenvereins Böbingen. Links der Interviewpartner der Redaktion, Otto Betz.
Sie stehen seit 25 Jahren bereit, um Menschen in Böbingen und darüber hinaus mobil zu halten: die ehrenamtlichen Fahrer des Elisabethenvereins Böbingen. Links der Interviewpartner der Redaktion, Otto Betz. Foto: Jan-Philipp Strobel © Jan-Philipp Strobel

Ehrenamtliche Fahrdienste sind ein Teil der Mobilität auf dem Land, gerade für ältere Menschen. Otto Betz aus Böbingen und Marie-Luise Zürn-Frey aus Lautern berichten von Erfahrungen.

Böbingen/Heubach-Lautern

Das Auto stehenlassen und mal g'schwind in den Bus hüpfen? Im Ostalbkreis, wie in vielen ländlichen Regionen, nicht so einfach. Und was macht, wer gar kein Auto hat? Oder aus Altersgründen keines mehr fahren sollte? Der ist entweder aufgeschmissen - oder er wendet sich an einen der ehrenamtlich organisierten Fahrdienste. Welche Menschen nutzen diese? Wie wichtig sind sie für die Mobilität im Alter und im ländlichen Raum? Die Redaktion hat bei Otto Betz vom Böbinger Elisabethenverein und bei Marie-Luise Zürn-Frey von „Älter werden in Lautern“ (Äwil) nachfragt.

Herr Betz, Frau Zürn-Frey, wer nutzt Ihren Fahrdienst?

Otto Betz: Wir befördern grundsätzlich Böbinger Bürgerinnen und Bürger, vorzugsweise, aber nicht ausschließlich, ältere oder Personen mit eingeschränkter Mobilität. Erfordert der Zustand eines Fahrgastes eine persönliche Begleitung, so muss eine Begleitperson während der Fahrten sowie beim Ein- und Aussteigen des Fahrgastes zugegen sein. Eine Einstiegshilfe an unserem Fahrzeug macht das Ein- und Aussteigen für Fahrgäste mit Gehbehinderung leichter. Leider können wir keine Fahrgäste befördern, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Wir haben im Jahr 2022 an 210 Tagen insgesamt knapp 350 Personen befördert. Seit diesem Jahr fahren wir Senioren zum wieder stattfindenden vierzehntägigen Mittagstisch und zum Café Rosengarten. Ebenso bieten wir seit diesem Jahr Fahrgelegenheiten für die Bewohner des Seniorenzentrums und der dort betreuten Seniorenwohnungen Fahrten an Wochenenden zu Gottesdiensten, Konzerten oder anderen Veranstaltungen innerhalb von Böbingen.Marie-Luise Zürn-Frey: Nutzer sind überwiegend unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, hauptsächlich aus Lautern und teilweise aus den Nachbargemeinden wie Mögglingen, Heubach oder Lauterburg. Wir haben 2022 auch drei Wochen lang ukrainische Familien zur Kinderspielstadt Kidstown nach Heubach gefahren. Meist jedoch werden Einzelpersonen, also alleinlebende Männer und Frauen, gefahren und verlässlich begleitet.

Warum nutzen die Menschen den Fahrdienst?

Marie-Luise Zürn-Frey: Oft ist es so, dass die Kinder nicht mehr im Dorf leben, berufstätig sind und als Fahrer nicht verfügbar. Die Fahrten gehen überwiegend zum Arzt oder zum Einkaufen, aber auch Familienbesuche, Bankgeschäfte oder Veranstaltungen sind gefragt. Aufgrund ihrer oft gesundheitlichen Einschränkungen sind sie froh, an der Haustür abgeholt und nach Hause gebracht zu werden. Otto Betz: Viele, in der Regel ältere Bürgerinnen und Bürger, sind in ihrer Mobilität eingeschränkt, das heißt, es ist für sie unmöglich, eigenständig zu Fuß zum Bahnhof oder zu einer Bushaltestelle zu gelangen. Dasselbe Problem stellt sich am Zielort: Ein Fußmarsch vom Bahnhof zu einer Arztpraxis, etwa in der Weißensteiner Straße 39 in Schwäbisch Gmünd, ist nicht zu bewerkstelligen. Oftmals ist es so, dass die Arzt- oder andere Termine nicht mit den Fahrplänen des ÖPNV zusammenpassen, lange Wartezeiten wären die Regel. Daneben gibt es eine Reihe ältere Bürgerinnen und Bürger, die zwar innerhalb von Böbingen noch mit dem eigenen Auto unterwegs sind, sich aber nicht mehr in die Städte wie Gmünd oder Aalen trauen. Der Fahrdienst füllt hier einen essenziellen Mobilitätsbedarf, die der ÖPNV aus heutiger Sicht weder organisatorisch, noch wirtschaftlich zu leisten im Stande wäre. Ebenso wird es immer schwieriger, auf Familienangehörige zurückzugreifen.

Wie wichtig ist der Fahrdienst in der Gesamtstruktur der Mobilität in ländlichen Gemeinden?

Otto Betz: Der Fahrdienst, einer der vielen sozialen Dienste des Elisabethenvereins, existiert bereits seit dem Jahr 1998, das heißt, er wird dieses Jahr 25 Jahre alt. Er dürfte damit einer der ersten seiner Art in der Region gewesen sein. Und Wegbereiter er war für viele andere Fahrdienste in anderen Kommunen des Ostalbkreises. In den 25 Jahren seit seinem Bestehen haben die Fahrerinnen und Fahrer rund 25 000 Personen befördert und knapp 250 000 Kilometer zurückgelegt. Insgesamt 75 Fahrer haben sich seither für diesen Dienst zur Verfügung gestellt. Dies ist ein herausragendes Zeichen von ehrenamtlichem Engagement und ein Beweis für ein funktionierendes soziales Miteinander in Böbingen. Marie-Luise Zürn-Frey: Unser Fahrdienst hat sich fest installiert, ist bedarfsgesteuert und flexibel und wird täglich nachgefragt. Er war durchgehend verfügbar, wir machten keine Coronapause, unser Auto wurde täglich von uns desinfiziert, Masken wurden bereitgestellt und getragen und Personen coronagerecht transportiert. Wir ernten eine große Dankbarkeit für unseren Fahrdienst. Flexiblere Terminbuchungen sind möglich. Sollten mehrere Buchungen zusammen kommen fahren wir auch mit Privatautos.

Wie ist Ihr Fahrdienst derzeit personell aufgestellt?

Otto Betz: Derzeit kann der Fahrdienst auf 23 Fahrerinnen und Fahrer zählen. Der ehrenamtliche Dienst umfasst neben dem eigentlichen Fahren am Fahrtag auch den einstündigen Telefondienst in unserem Büro im Böbinger Seniorenzentrum. Marie-Luise Zürn-Frey: Aktuell fahren für Äwil 13 Fahrerinnen und Fahrer. Der Umkreis ist auf etwa 25 Kilometer begrenzt. 2022 hatten wir 240 Fahrten und beförderten 372 Personen auf rund 6500 Kilometer. Die Fahrt ist unverbindlich und kostenfrei. Unser Bürgermobil wird unterstützt von der Raiffeisenbank Rosenstein und den im Ehrenamt tätigen Fahrern vom Verein „Älter werden in Lautern“. Spenden für den Verein – im eigenen Ermessen – sind gerne willkommen. Die Mitgliedschaft, jährlich 15 Euro, wird nicht vorausgesetzt, ist aber wünschenswert.

Was fehlte, gäbe es den Fahrdienst nicht?

Marie-Luise Zürn-Frey: Die Bürgerinnen und Bürger schätzen die persönliche Betreuung unserer ehrenamtlichen Fahrerinnen und dank der speziellen Fahrgenehmigung sind Fahrten direkt an die Arztpraxen in den Städten möglich, diese Genehmigungen sind aber für ÄWIL kostenpflichtig. Die Verbindungen des ÖPNV sind oft schlecht. Es gibt keine Direktverbindungen nach Aalen und Gmünd, die Leute müssen umsteigen und in Heubach auf die Anschlüsse warten. Zudem gibt es keine barrierefreien Bushaltestellen, keine Niederflurbusse und während der Schulferien noch schlechtere Verbindungen und weniger Busse. Otto Betz: Wir erhalten eine durchweg positive Resonanz. Die Fahrgäste sind überaus dankbar. Nicht zuletzt diese Dankbarkeit ist es, die die ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrer motiviert, diesen nicht mehr wegzudenkenden Dienst in Böbingen gerne zu leisten. Es ist eigentlich nicht denkbar, wenn es den Fahrdienst nicht gäbe – man müsste ihn erfinden.

Die Fahrdienste in Böbingen und Lautern

Das vom Böbinger Fahrdienst abgedeckte Einzugsgebiet umfasst Böbingen sowie außerhalb des Ortes einen Umkreis von bis zu rund 15 Kilometer. Fahrzeiten sind von montags bis freitags on 8 bis 17 Uhr. Anmeldung montags bis freitags von 17 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer (07173) 92 06 82. Es gibt keine festen Fahrentgelte. Um die Kosten zu decken und das Angebot erhalten zu können, freuen sich die Fahrer über Spenden.

Der Fahrdienst des Vereins „Älter werden in Lautern“ fährt von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr. Telefonische Anmeldung, zwei Werktage vorher, wird erbeten. Der Fahrdienst kann täglich von 17 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer 0163 8355703 gebucht werden. Neue Fahrerinnen und Fahrer sind bei beiden Diensten willkommen. ⋌dav

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