Die kleine Krise in der großen

Michael Länge über neue Realitäten in deutschen Haushalten
Du kannst, sagt meine Frau, nachdem sie mich des Morgens, nach der Zehn-Sekunden-Dusche, zehn Sekunden in der Küche an der Spüle beobachtet hat, nicht die ganze Spüle nur wegen eines kleinen Teesiebs mit warmem Wasser ausspülen. Wenn ich ins Bad komme, erwidere ich, steht der Wasserhahn immer auf links, auf warmem Wasser also. Man kann, erläuterte ich meine Worte, während ich das Licht in der Küche lösche, in diesen an Energie entbehrungsreichen Zeiten die Hände nicht mit warmem Wasser waschen. Doch, sagt meine Frau, das muss man. Mit heißem sogar. Wegen Corona. Aha, sage ich, und zünde in der Küche eine Kerze an. Halt, nein, das stimmt nicht. Jetzt war ich eben gedanklich meiner Zeit drei Monate voraus. Ich zünde also keine Kerze an. Stattdessen nehme ich die Teekanne in die Hand, drehe den Wasserhahn nach links, auf warm also. Und frage jetzt Sie, weil meine Frau mich inzwischen nicht mehr ernst nimmt, ganz ernsthaft, bevor ich den Tee aufgieße, ob ich tatsächlich die Teekanne vorher noch mit heißem Wasser ausspülen kann? Oder überhaupt noch mit Wasser? Während ich auf Ihre Antwort warte, bin ich, sage ich jetzt ausnahmsweise nur zu mir selbst, im neuen deutschen Alltag angekommen. Michael Länge