1. Startseite
  2. Ostalb
  3. Schwäbisch Gmünd

Die todgeweihten Bäume in Gmünder Wäldern

Erstellt:

Von: Bernd Müller

Kommentare

Förster Joachim Stier zeigt auf todgeweihte Fichten.
Förster Joachim Stier zeigt auf todgeweihte Fichten. © Jan-Philipp Strobel

„Es geht so rasend schnell“, sagt Förster Jens-Olaf Weiher. Wieso die Fichte aus unseren Wäldern weitgehend verschwinden wird.

Schwäbisch Gmünd. Mahnmale. Leichenbestattung. Wenn Förster Jens-Olaf Weiher über das Schicksal der Fichte in hiesigen Wäldern spricht, wählt er auch drastisch klingende Worte. Die Assoziationen passen: An vielen Standorten sind Fichten todgeweiht, weil sich das Klima zu ihren Ungunsten verändert. Das Aussehen der Wälder rund um Gmünd wird sich stark verändern: „Im Moment liegt der Anteil der Fichte noch bei rund 40 Prozent, in einigen Regionen nördlich von Gmünd ist es deutlich mehr“, sagt Weiher, der Leiter der Gmünder Forst-Außenstelle des Landratsamts.

Zu trocken an Hangkanten

Dass die Fichte an manchen Standorten keine Chance mehr hat, sieht man als Spaziergänger oder Wanderer besonders an manchen Waldrändern von Hangkanten, stadtnahe Beispiele gibt’s am Gügling, am Herlikofer Berg oder nördlich von Lindach. „Das sind die Bereiche, die am ehesten austrocknen, dazu trägt unter anderem der Wind bei “, sagt Weiher. Dass die Bäume dort regelrecht verdursten, also vertrocknen, komme selten vor. Doch die Mangelversorgung schwächt und macht anfällig, vor allem im „Räuber-Beute-Verhältnis“ zum Borkenkäfer. „Wenn das Immunsystem geschwächt ist, dann ist der Baum disponiert dafür: Es ist relativ wahrscheinlich, dass an diesen Hangkanten der Käferbefall auftritt.“

Den Borkenkäfer gibt’s schon immer, zu einem flächendeckenden Problem wird er erst, wenn viele Bäume nicht mehr gesund und widerstandsfähig sind. Durch die sich ändernden Klima-Verhältnisse ändern sich die Kraftverhältnisse auf beiden Seiten: Die Bäume werden schwächer, die Käfer haben bessere Bedingungen, um sich zu vermehren. „Je wärmer es ist, desto besser entwickelt sich der Käfer, das schaukelt sich hoch“, sagt Jens-Olaf Weiher. „Heute schaffen sie meist drei statt zwei Generationen im Jahr.“

„Wider besseren Wissens“

Die Entwicklung kam nicht plötzlich. „Wir verabschieden uns von der Fichte schon seit 40 Jahren. Aber sie war ein wirtschaftlich so attraktiver Baum, dass man es wider besseren Wissens einfach weiter versucht hat.“ Mit dem Risiko von „Totalschäden“, wie sich Weiher ausdrückt, der Gefahr, dass komplett kahle Flächen entstehen. „Fichten sind ein riskantes Potenzial, weil sie oft als Monokultur angelegt sind.“

Vom „Worst-Case-Szenario“ seien aber die Gmünder Wälder noch weit entfernt, sagt Weiher. Ihm und seinen Kollegen gelingt es, den Käfer im Griff zu halten. „Man muss es sich wie eine Corona-Inzidenz vorstellen.“ In anderen Bundesländern konnte man den schnellen, flächendeckenden Fichtentod schon beobachten. „Von 2018 bis 2020 hat Nordrhein-Westfalen 60 Prozent des Fichtenbestands eingebüßt. Da hört der Käfer dann erst auf, wenn es keine Fichte mehr gibt.“

Szenario: Südhänge ohne Wald

Rund um Gmünd oder im Schwäbischen Wald wird die Fichte in kühlen, feuchten Tallagen noch längere Zeit gute Überlebensbedingungen haben. An anderen Standorten, vor allem sonnigen Südhanglagen, werde sich der Wald aber sichtbar verändern. „Wir werden eine ganz starke Spreizung haben“, prognostiziert Weiher. „Sobald man Weinbauklima hat, ist die Fichte am Ende. Das werden wir in naher Zukunft an unseren Südhängen auch haben.“ Das kann so wie gehen wie es Urlauber etwa aus Südfrankreich kennen: Wald an Nordhängen, trockene Buschlandschaften an Südhängen. Weiher nennt das „Extensivierung“: „Dass wir keine Nutzwälder mehr an Südhängen haben. Das ist sehr ernüchternd, aber es ist die logische Konsequenz.“ Es gehe eben „so rasend schnell“: „Unsere Baumarten sollen ja im Schnitt 100 Jahre ungestört wachsen können. Aber wenn sich die Temperatur in 100 Jahren um zwei, drei oder vier Grad erhöht, das kann man kaum einer Baumart zumuten.“

Regen als wertvolles Gut

Eine Aufgabe der Zukunft, sei dies, sagt Forstchef Jens-Olaf Weiher: die Feuchtigkeit im Boden halten. „Wir werden uns als Gesellschaft umstellen müssen, dass wir mit dem Regen als kostbares Gut ganz anders umgehen als früher.“ Mit Laubbäumen könne man dem Boden in der Hinsicht Gutes tun: „Laubbäume sind regelrechte Wassersammler, der Niederschlag läuft bis zum Stamm und dann nach unten.“ Nadelbäume tun das bauartbedingt nicht. „Das verdunstet dann relativ schnell wieder.“

Eine vom Borkenkäfer befallene Fichte.
Eine vom Borkenkäfer befallene Fichte. © Jan-Philipp Strobel
Arbeitsnachweis: Hier waren Borkenkäfer tätig.
Arbeitsnachweis: Hier waren Borkenkäfer tätig. © Jan-Philipp Strobel
Förster Joachim Stier (l) und Ralf Hurlebaus.
Förster Joachim Stier (l) und Ralf Hurlebaus. Foto: Jan-Philipp Strobel © Jan-Philipp Strobel
Ralf Hurlebaus im Wald.
Ralf Hurlebaus im Wald. © Jan-Philipp Strobel
Rodungsarbeiten im Wald bei Gmünd.
Rodungsarbeiten im Wald bei Gmünd. © Jan-Philipp Strobel

Auch interessant

Kommentare