Ist das Experiment in den Schmiedgassen gescheitert?

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Nach fast zwei Jahren "Experiment" in den Schmiedgassen: Soll das Verbotsschild wieder weg? Geschäftsleute kritisieren den Ist-Zustand der Umgestaltung und Verkehrsregelung.
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„So wie es ist, funktioniert das Konzept nicht.“ Fast zwei Jahre nach der Umgestaltung sind Geschäftsleute unzufrieden mit der Situation.

Schwäbisch Gmünd. "Die Schmiedgasse bereitet mir Sorge.“ Andreas Schoell, Geschäftsführer von Intersport Schoell, steht mit seiner Sorge nicht allein. Auch Jürgen Stemke ist unzufrieden mit den Verkehrsverhältnissen in seiner Straße. „Das Konzept funktioniert nicht“, sagt Stemke. Seit die Durchfahrt für Autos in der Vorderen Schmiedgasse gesperrt ist, hat Stemkes Bäckerei deutlich an Umsatz eingebüßt. „Es kostet Geld“, sagt er schlicht. Nicht nur sein eigenes - er habe auch die Zahl der Mitarbeiter reduzieren müssen, so Stemke.

Begonnen hat alles vor knapp zwei Jahren, im Sommer 2001: Als eine Art Feldversuch, um die Schmiedgassen umzugestalten, sie lebenswerter, attraktiver, verkehrsärmer zu machen. „Ich bin Feuer und Flamme, hier etwas auszuprobieren“, hatte Oberbürgermeister Richard Arnold damals gesagt. Es gehe darum, „dass wir experimentieren“. Ob das Experiment in Sachen Verkehrsführung gelungen ist, daran hat Andreas Schoell in der vergangenen Woche Zweifel angemeldet, als er im Bauausschuss des Gemeinderats zu Gast war. „Die Vordere Schmiedgasse ist für mich nicht so gesetzt, wie sie heute ist“, meinte das HGV-Vorstandsmitglied. Es geht um die grundlegende Frage; Weiter so mit dem Fußgängerbereich in der Vorderen Schmiedgasse – oder wieder zurück zur ursprünglichen Verkehrsregelung, bei der die Autos freie Durchfahrt hatten?

Als das Experiment gestartet wurde, hatte Baubürgermeister Julius Mihm versichert: „Wir evaluieren, sammeln Rückmeldungen, so dass man immer nachjustieren kann.“ Für Jürgen Stemke ist die Testphase jetzt lang genug gewesen: „Wir haben gesagt, wir probieren es mal aus, aber es sind jetzt fast zwei Jahre. Irgendwann muss man sagen: So, jetzt wissen wir’s.“

Als Geschäftsmann schaut er auf die Realität - er hat weniger Kunden als vor der Verkehrsberuhigung. Die Erklärung liegt für ihn auf der Hand: Weil sie’s schwerer haben in seinen Laden zu kommen als früher. „Zwei Drittel meiner Kunden kommen mit dem Auto“, sagt Stemke. Um das so genau sagen zu können, hat er extra eine Umfrage in seiner Bäckerei unter seinen Kunden gemacht. Rund 20 Prozent sind zu Fuß in der Stadt, zehn Prozent mit dem Rad, fünf kommen mit dem Bus.

Andreas Schoells Erfahrungen sind ganz ähnlich: „90 bis 95 Prozent meiner Kunden kommen nicht mit dem ÖPNV.“ Er sieht die Sperrung für durchfahrende Autos in der Vorderen Schmiedgasse sehr kritisch: „Das Abschneiden von Verkehrsadern tut der Stadt nicht gut“, sagt er. Man müsse es den Kunden leicht machen, in die Stadt zu fahren, sonst blieben sie weg. Schoell fürchtet die Folgen: „Irgendwann wird es kritisch: Wenn die Kosten höher sind als die Erlöse, dann macht eben ein Geschäft zu. Und die Leute kommen nicht wegen eines einzelnen Ladens, die kommen wegen des Gesamtpakets, das die Innenstadt bietet. Und dann wird es immer dünner.“

Auch Sabine Heer, Inhaberin von Heer Hören, würde sich die Möglichkeit wünschen, dass Kunden mit dem Auto vor ihr Geschäft kommen können. „Es kommt immer wieder die Anfrage, ob man vor der Tür parken dürfe.“ Ihre Kunden, die Hörgeräte brauchen, sind in der Mehrzahl ältere Menschen. „Viele wollen gar nicht dauerhaft parken, sondern nur kurz anhalten, damit Schwerbehinderte kurz ins Geschäft kommen dürfen.“

Jürgen Stemke ist alles andere als ein Auto-Lobbyist, als ADFC-Mitglied liegt ihm der Radverkehr am Herzen, er setzt sich seit Jahren für Verbesserungen zugunsten des Verkehrsmittels Fahrrad ein. Wünscht er sich dennoch eine Rückkehr zur alten Verkehrsführung, mit Autos, die vor seinem Schaufenster vorbeifahren? „Jein“, sagt Stemke und präzisiert. „Wenn ich den Autofahrer hier aussperre, dann muss ich die Leute mit einem anderen System hier reinbringen.“ Eben das, ein „alternatives Verkehrskonzept“, sehe er nicht. „Es war am Anfang klar: Wir müssen es gescheit machen, sonst haben wir ein Problem. Jetzt gibt es seit zwei Jahren das Provisorium – und das Problem ist da.“ Stemke nennt Beispiele: die so genannten „Brezelparkplätze“, die morgens ganz gut funktionierten wie gedacht, im Laufe des Tages aber von Dauerparkern zugestellt würden – mangels klarer Regeln und Kontrollen. Und dass die Vordere Schmiedgasse vor seinem Laden formal Fußgängerzone ist - aber doch nicht so richtig. Die Randsteine sind immer noch so hoch wie früher – für Rollstuhlfahrer etwa nicht zu überwinden. Und regelmäßig fahren große Busse durch. „Wenn man eine Fußgängerzone gut macht, profitieren eigentlich die Geschäfte, aber das ist hier nicht der Fall. So wie es ist, funktioniert das Konzept nicht.“

Und was plant die Stadt? Wie soll es weitergehen mit dem Experiment? Das wollte die GT von der Stadtverwaltung am Montag wissen – bekam aber bis zum Dienstagabend keine Antwort.

Ungelöste Frage noch auf Jahre hinaus: Was tun mit dem Zielkonflikt Busverkehr versus Fußgängerzone?

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