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„Ich war ein Assi“ – ein Appell an Verständnis und Ehrlichkeit

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Michael Stahl spricht an der Gewerblichen Schule mit gnadenloser Offenheit über seine problematische Jugend.
Michael Stahl spricht an der Gewerblichen Schule mit gnadenloser Offenheit über seine problematische Jugend. © privat

Schläge und Armut prägten seine Kindheit. Mit schonungsloser Offenheit spricht Michael Stahl über seine Vergangenheit und was er daraus gelernt hat.

Schwäbisch Gmünd

Michael Stahl ist ein Mann, der eine Mission hat. Der muskulöse Inhaber einer Kampfsportschule will Jugendliche dafür sensibilisieren, dass Coolness nicht darin besteht, andere zu schlagen, zu mobben, zu beleidigen, halsbrecherisch durch die Stadt zu fahren oder andere Straftaten zu begehen.

Mehrere Klassen der Gewerblichen Schule, die zweijährigen Berufsfachschulen, AV-dual und das zweijährige Berufskolleg für Produktdesign nahmen am Gewaltpräventionstraining teil und hingen dem authentischen Trainer an den Lippen, als er mit gnadenloser Offenheit von seiner problematischen Jugend und seinem weiteren Werdegang berichtete. Stahl wuchs mit einem alkoholkranken und gewalttätigen Vater in einem baufälligen Haus in großer Armut auf.

„Wenn einer verdient ‚asozial‘ genannt zu werden, dann war ich das.“ Mangelnde Liebe und fehlende Aufmerksamkeit nannte er als Ursache dafür, dass Jugendliche das Bedürfnis haben, sich irgendwie hervorzuheben und zu provozieren – vor allem mit Gewalt, weil sie gleichzeitig als Blitzableiter für die Wut dient, die in einem steckt. „Wenn ihr jemanden mobbt, verstehe ich das“, sagt Stahl, „aber ich finde es nicht okay.“ Das Verhalten sei nicht cool, sondern zeige, was für ein armer Wurm man ist. Er selbst habe sich aus seiner prekären Vergangenheit wortwörtlich herausgekämpft und als Personenschützer zum Beispiel für Muhammad Ali, die Klitschkos und Papst Ratzinger gearbeitet.

Viele Jahre später hat sich Stahl mit seinem Vater, der ihn geschlagen, getreten und bespuckt hatten, wieder versöhnt. Er habe ihm vergeben und sogar Verständnis für sein Verhalten entwickelt. Dessen Vater, Michael Stahls Opa, sei aufgrund seiner Kriegsgefangenschaft selbst traumatisiert gewesen und habe für seinen Sohn auch nur Schläge übrig gehabt. Einer müsse diesen teuflischen Kreislauf durchbrechen, auch wenn es schwer sei.

Grundlegend dafür sei Kommunikation, gegenseitige Wertschätzung und Liebe, so Michael Stahl. „Liebe ist eine Entscheidung.“ Sich gegenseitig zu sagen, was man sich bedeutet, sich zuzuhören, sei elementar für ein eigenes gesundes Selbstbewusstsein, das man dann auch weitergeben kann. Jeder Mensch solle spüren, dass er wertvoll ist. Deshalb sollten einige Schüler Medaillen an andere Anwesende verteilen, um ihnen ihre Sympathie und Anerkennung zu zeigen.

Einige Monate vor dem Tod von Stahls Vater gab dieser ihm die Erlaubnis, ihre gemeinsame Geschichte zu erzählen. Um anderen Mut zu machen und um zu zeigen, dass Versöhnung manchmal noch möglich ist, auch wenn man schon lange nicht mehr damit gerechnet hat.

Die Stille im Raum war ein Ausdruck von Betroffenheit, aber auch Faszination für den Mann, der genau die richtige Ansprache für die Jugendlichen gefunden hat, um deutlich zu machen, dass gewalttätiges und kriminelles Verhalten der falscheste Weg ist, den man einschlagen kann. Denn das könne zu Situationen führen, die nicht mehr gutzumachen sind …

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