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Mehr Geld für Bildung stärkt die Demokratie 

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Von: Anke Schwörer-Haag

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Die Professorin Dr. Jutta Allmendinger veranschaulicht ihren Vortrag mit einer zahlrenreichen Präsentation und freut sich über die vielen Fragen des Bilderhaus-Publikums.
Die Professorin Dr. Jutta Allmendinger veranschaulicht ihren Vortrag mit einer zahlrenreichen Präsentation und freut sich über die vielen Fragen des Bilderhaus-Publikums. Foto: hpr © hpr

Beim letzten „rendezvous“ der aktuellen Saison spricht Professor Dr. Jutta Allmendinger zur Frage „Kann die Demokratie ihr Aufstiegsversprechen noch erfüllen?“

Gschwend

Von Anne Will bis zum Hörsaal - Jutta Allmendinger kennt wohl die meisten Gesprächsrunden und Vortragssäle. „So ein Rendezvous hatte ich noch nie“, spielt die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung im Bilderhaus auf den Titel der Reihe an. Und macht auch sonst keinen Hehl daraus, dass ihr gefällt, was sie erlebt in der schwäbischen Provinz. „So spannende Publikumsfragen gibt es selten.“

Vor der Fragerunde hat die vielfach ausgezeichnete Soziologin, die 1987 an der Harvard University promoviert wurde, per Powerpoint auch optisch eindrucksvoll die Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft dokumentiert. Ob es um Bildung, Ausbildung, Weiterbildung, den Arbeitsmarkt, die Wohnverhältnisse oder auch die Gesundheit geht - Herkunft und Vermögensverhältnisse prägten das Leben und die Chancen des Einzelnen so stark, wie in kaum einem anderen Land.

Und all das berühre dann auch die Grundfesten der Demokratie. Denn die starke Ungleichheit erzeuge ein Gefühl der Ausgrenzung, mindere das Vertrauen in die Regierung, die Institutionen, die Volksvertretung oder die Wissenschaft und Forschung. Coronaleugner und Klimaleugner haben das gezeigt, sagt die Professorin und rät als Ausweg zu einer „präventiven Sozialpolitik“, die in allererster Linie auf Bildung setze. Genau in diesem Bereich werde aber zu wenig getan, fordert sie eine erneute Auseinandersetzung mit dem Bildungs- und mit dem Ausbildungssystem. Selbst die „duale Ausbildung“, die weltweit als Vorzeigemodell gewürdigt werde, müsse dazulernen und flexibler auf die gewaltigen Jobumbrüche reagieren. Daneben müsste Möglichkeiten für den gesellschaftlichen Aufstieg geschaffen werden. Auch das Thema Vermögenskonzentration gehöre dringend auf die Agenda. Da gebe es gute Vorschläge, wie der Aufbau von Eigenkapital unterstützt werden könne.

Bei den nun folgenden Fragen geht es hauptsächlich um die Bildung. Mehr Geld und mehr Lehrer seien notwendig, um vor allem am Beginn des Lernens die unterschiedlichen sozialen Lagen auszugleichen. Dazu eine Finanzierung der Schulen, die sich nach der Herkunft der Kinder richtet. Mehr aufsuchende Arbeit, die den Eltern das Schulsystem erklärt. Maßnahmen, die sich in Modellprojekten als wirksam erwiesen haben, müsse man „ausrollen wie einen Teppich über das ganze Land“, all das empfiehlt die Professorin. Und kritisiert, Reputation der Lehrerinnen und Lehrer sei in Deutschland viel zu gering. Mit mehr Wertschätzung sei extrem viel zu machen. „Wir bräuchten so eine richtige Mobilisierung“, fordert Jutta Allmendinger, die auch nichts einzuwenden hätte gegen entsprechend geschulte Quereinsteiger, die Kinder dann begleiten könnten. Die Finanzierung des Bildungssystems sei viel zu niedrig angesetzt im Hinblick auf dessen Bedeutung für das demokratische System.

Dass sprachliche Bildung so früh wie möglich einsetzt, hält sie für absolut wichtig und bricht eine Lanze für eine Elternarbeit, die die jeweilige Familie davon überzeugt, dass sie Kindertagesstätten nutzen, um den Spracherwerb zu verbessern.

Auch die Wirtschaft könne mehr tun, beantwortet die Professorin eine weitere Frage: Zum Beispiel Leute mit geringerer Bildung einstellen, um diese „Learning by Doing“ zu schulen; oder auch Kindergärten bauen und gut ausstatten für den Nachwuchs der Beschäftigen; aber auch ältere Mitarbeiter rechtzeitig bei der Umschulung unterstützen, wenn sich absehbar die Anforderungen des Jobs verändern.

Bei einer weiteren Antwort dieser wirklich kurzweiligen zweiten Stunde spricht Jutta Allmendinger sich für die Einführung eines sozialen Jahres aus. Denn der Wehr- oder Zivildienst, das Engagement in den Kirchen, in Vereinen oder Gewerkschaften habe früher für eine mehr als oberflächliche Berührung unterschiedlicher sozialer Kreise gesorgt. Das müsse sich die Gesellschaft zurückholen, um weitere Parzellierung zu verhindern.

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