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Blitzintegration und ein Volltreffer

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Von: Anke Schwörer-Haag

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Große Freude beim Ukraine-Nachmittag in der Begegnungsstätte (v.l.) Lillian Sassano, Viktoriia Hrosenko, Denise Steinle, Stephanie Eßwein und Ewegnia Losa. ⋌⋌Foto: aks
Große Freude beim Ukraine-Nachmittag in der Begegnungsstätte (v.l.) Lillian Sassano, Viktoriia Hrosenko, Denise Steinle, Stephanie Eßwein und Ewegnia Losa. ⋌⋌Foto: aks © Schwörer-Haag, Anke

Um die 100 Menschen, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat flüchten mussten, leben in Mutlangen. Warum die Gemeinde sie und ehrenamtliche Helfer jetzt eingeladen hat.

Mutlangen

Und plötzlich fließen die Tränchen. Zum Glück sind es Freudentränchen, die sich Ewgenia Losa fast ein bisschen schüchtern abwischt, während sie wieder und wieder über die Schachtel mit der neuen Nähmaschine streicht. Diese Überraschung ist gelungen, ist ein ganz besonderer Moment auf einer ganz besonderen Feier, die ihren Ursprung in den dramatischen Ereignissen vor genau einem Jahr hat.

Wenige Tage, nachdem Vladimir Putin die Ukraine angreifen ließ, kamen die ersten Flüchtlinge nach Mutlangen. Fast 100 Menschen - hauptsächlich Frauen und Kinder - leben seitdem in der Gemeinde. Die meisten sind an diesem Nachmittag in die Begegnungsstätte gekommen.

Die Gemeinde hatte eingeladen - um den Geflüchteten zu zeigen, dass sie willkommen sind; um sie auf andere Gedanken zu bringen in den Stunden um diesen schrecklichen Jahrtag; aber auch um Danke zu sagen, erklärt Bürgermeisterin Stephanie Eßwein, danke an alle ehrenamtlichen Mutlangerinnen und Mutlanger, die als Vermieterinnen und Vermieter oder als Patinnen und Paten mitgewirkt haben an dieser ebenso pragmatischen wie gelungenen Blitzintegration. „Auch hier im Café sind sie zu den Öffnungszeiten willkommen“, übersetzt Yuliia Hrosenko, die sich ganz spontan und unkompliziert als Dolmetscherin zur Verfügung gestellt hat.

Das sei schon sehr bemerkenswert an allen, die in der Ukraine oft Hals über Kopf ihr altes Leben zurücklassen mussten und hier Schutz gefunden haben, erzählen die Mutlanger: Dieser Wille, sich zu integrieren und an der Gesellschaft mitzuwirken. Diese Anstrengung, Deutsch zu lernen und zu sprechen - zum Beispiel auch bei Behördengängen. Diese Zufriedenheit mit den nicht immer einfachen Bedingungen. Die Ärztin Steffi Köder, mit drei Kindern derzeit in Erziehungszeit und von der ersten Stunde dabei im Mutlanger Helferteam, staunt über die rasante Entwicklung, die das Miteinander genommen hat.

Als sie ankamen, hatten viele der Flüchtlinge nicht viel mehr dabei als das, was sie am Leib trugen. Alles musste organisiert werden: Zahnpasta und Zahnbürsten, Duschsachen, Kleidung, Bettwäsche und Möbel - „gefühlt war ich 24/7 im Einsatz, bis wir das Sachspendenlager aufgebaut, all die fehlenden Kleinigkeiten verteilt und allen geholfen hatten.“ Heute habe sich das normalisiert. Die Ukrainer helfen sich auch gegenseitig, auch gegen das Heimweh. Mehr noch: „Um der Gemeinde etwas zurückzugeben, haben sie sich vor Kurzem zum Beispiel zum Müllsammeln verabredet“, erzählt die Bürgermeisterin beeindruckt.

Und dann wird der harmonische Kaffeeplausch, der die schwierige Zeit um den Jahrtag erträglicher machen will, noch einmal von einer kurzen Zeremonie unterbrochen. Auch die Gemeinde Mutlangen wolle Danke sagen, erklärt Stefanie Eßwein und ruft das Nähteam nach vorne, das die wunderbare Rathaus-Sturm-Premiere um 36 tolle Kostüme bereichert hat. Viele Stunden hätten die drei Frauen dafür ehrenamtlich geopfert. Dank kleiner Tipps aus dem Umfeld habe man Passendes sucht: Für Lillian Sassano gibt es einen Essensgutschein, für Viktoriia Hrosenko einen Einkaufsgutschein einer Gmünder Boutique. Und für Ewgenia Losa die neue Nähmaschine, nachdem ihre eigene, von zu Hause mitgebrachte, angesichts der großen Belastung den Geist aufgegeben hatte. Ein Volltreffergeschenk, wie die Freudentränchen zeigen.

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