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In Jahrzehnten denken für den Wald

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Von: Anja Müller

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Der Gmünder Forst-Außenstellenleiter Jens-Olaf Weiher (l.) und der Waldstetter Revierförster Johannes Gugel im aufstrebenden Laubgehölz auf der Stuifen-Nordseite, von Draht vor Verbiss geschützt eine der Weißtannen, die dort zur Vielfalt beitragen soll.
Der Gmünder Forst-Außenstellenleiter Jens-Olaf Weiher (l.) und der Waldstetter Revierförster Johannes Gugel im aufstrebenden Laubgehölz auf der Stuifen-Nordseite, von Draht vor Verbiss geschützt eine der Weißtannen, die dort zur Vielfalt beitragen soll. © Müller, Anja

Der Umbau zum Laubwald am Stuifen hat 2011 begonnen, auf weiteren 16 Hektar sollen nun Fichten weichen. Wie das Konzept aufgeht, zeigt sich in zig Jahren. 

Waldstetten-Wißgoldingen

Forstleute denken in Jahrzehnten, weit über die Zehnjahrespläne zur Bewirtschaftung der Wälder hinaus. Das Ergebnis dessen, wie er heute mit den Baumbeständen am Stuifen umgehe, werde erst sein Nachfolger eine Generation weiter sehen können, sagt der 30-jährige Waldstetter Revierförster Johannes Gugel.  Wer die Nordseite des Stuifen betrachtet, kann das nachvollziehen. 2011 und 2014 wurden dort großflächig und weithin sichtbar Bäume abgeholzt. Anstelle von Fichten dominieren dort nun junge, einige Meter hohe Stämmchen von Buchen, Ahorn, Ulmen und Eschen. Wobei: Letztere werden sich nicht lange halten, sagt Gugel angesichts des mittlerweile allgegenwärtigen Eschentriebsterbens. Wer aufmerksam um den Berg spaziert, sieht derzeit zahlreiche gefällte Eschen am Wegesrand, die von dem Pilz befallen waren, der ihnen letztendlich die Standfestigkeit raubt und sie zur potenziellen Gefahr für Waldbesucher macht. Weil sich solcherlei Gefahren künftig nicht vollständig ausräumen lassen werden, braucht es  wieder mehr Bewusstsein für diesen Lebensraum. „Es wird gefährlicher in den Wäldern“, sagt Jens-Olaf Weiher, Leiter der Forst-Außenstelle Schwäbisch Gmünd.  

Das Auslaufmodell

Am Stuifen-Nordhang sollen die Fichten zugunsten des Laubwaldes ganz verschwinden - weil sie auf lange Sicht auf dem dortigen Kalkboden zum Faulen neigen. Wobei es schon allein große Standortunterschiede zwischen „unten am Berg“ gibt, wo sich über viele Jahre eine Humusschicht gebildet hat, die den Fichten zupass kommt, und „oben am Berg“, wo immer noch nicht viel mehr als der pure Kalkfelsen den Untergrund bildet, sagt Weiher. Dazu kommt, dass diese flachwurzelnden Nadelbäume besonders schlecht mit der zunehmenden Trockenheit klarkommen. „Die Fichte ist ein Auslaufmodell“, stellt er angesichts des Klimawandels fest. So sollen im kommenden Herbst oder Winter auf weiteren 16 Hektar angrenzender Fläche Fichten abgeholzt werden – sofern übers Jahr nicht schon zuviel Käferholz anfällt, sagt Weiher. Es wird erneut „ein größerer Eingriff als gewohnt“ werden, weil dieser Bereich des Stuifen „wahnsinnig steil“ ist, das macht den Einsatz mit schwerem Gerät besonders aufwändig. An flacheren Stellen ließen sich dagegen kontinuierlich immer wieder „Bäume rausholen“. Ist das gemacht, sagt Gugel, „hat man umgebaut von Nadelwald auf Laubwald“. Bis alle Fichten vom Stuifen verschwunden sind, werde es noch etwa 30 bis 40 Jahre dauern – oder auch nur 25, wenn etwa Borkenkäferbefall den Bestand zusätzlich ausdünnt.

Wer angesichts des Holzeinschlags vor zwölf und neun Jahren schockiert von der kahlen Fläche am Wißgoldinger Hausberg war, mag sich kaum vorstellen, wie der gesamte Berg  bis weit ins 19. Jahrhundert ausgesehen hat. „Wohl der kahlste und ödeste von allen Gipfeln der Alb ist der Stuifen“,  das stellt A. von Wolkenstein  in seinen „romantischen Erzählungen aus der Vorzeit“ von 1886 fest. Knapp 100 Jahre später zitiert dies Frank Halder in seiner forstwissenschaftlichen Diplomarbeit über „Die Aufforstungsgeschichte des Stuifen“. Die dokumentiert, wie aufwändig die Menschen sich seit dem 19. Jahrhundert bemühten, aus dem nahezu baumfreien Schuttkegel einen bewaldeten Berg zu machen. Lange sei dies wegen der Bedeutung der Schafzucht nicht in Frage gestellt worden, sagt Weiher.  Mehrere Überflutungen, die Äcker in Mitleidenschaft zogen, hatten zum Nachdenken geführt. So habe es im 19. Jahrhundert den Versuch gegeben, Laubholz anzubauen – „das hat nichts gebracht“, weil die Schafe die jungen Triebe verbissen haben. Erst als die Schafzucht Ende des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verloren und zudem das Land den Waldbau gefördert hat, habe sich etwas getan. Dennoch: „Da sind Unsummen reingeflossen“, oft erfolglos, entnimmt er Halders Diplomarbeit.

Steht da und ist stabil

Bewährt hatten sich letztendlich Fichten und Schwarzkiefern. Anders als das Auslaufmodell Fichte  sind Schwarzkiefern genügsam und kommen mit Hitze und Trockenheit besonders gut zurecht, erklärt Weiher. Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels müsse man dafür regelrecht dankbar sein. Zwar sei die Schwarzkiefer bisher nicht besonders nachgefragt auf dem Holzmarkt und – ursprünglich aus dem Kaukasus stammend -  „ökologisch kein Highlight“ und auch angesichts zunehmender Waldbrandgefahr nicht die erste Wahl. Doch „sie steht da und ist stabil“ und verkraftet die stärkere Sonneneinstrahlung auf der Südseite des Berges, „das gibt uns Zeit“. So sei es gelungen, eine Waldgesellschaft zu etablieren, aus der nun wiederum Laubwald auf der Stuifen-Nordseite entstehen könne.

Lediglich bis zu zweimal pro Jahrzehnt  greifen die Forstleute ein und dünnen den nachwachsenden Bestand zugunsten der erwünschten Bäume aus, sagt Gugel über den aufstrebenden Laubwald. Wobei dort auch ein Nadelbaum weiterhin eine Rolle spielen soll. Gugel und Weiher zeigen junge, vor Wildverbiss durch Drahtmäntel geschützte Weißtännchen, die den Bewuchs zum Mischwald machen. Weiher vergleicht das mit einem soliden Aktienfonds, bei dem sich, breit aufgestellt, Verluste geringhalten. Außerdem sei das klassische Bauholz nunmal Nadelholz. Beide hoffen, dass die jungen Tannen, die Gewinner des Klimawandels seien, sich an die vorhandenen Bedingungen anpassen.  Schließlich gehe es darum, möglichst viele Baumarten zu etablieren, sagt Gugel. „Man setzt hier auf Vielfalt“, unterstreicht Weiher. Ob das aufgeht, auch das zeige sich - „wir denken in Jahrzehnten“ - in 30, 40 oder 50 Jahren.                      

Der Stuifen mit der ab 2011 großflächig abgeholzten Fläche auf der Nordseite, an der nun Labbäume wachsen, und dem Altbestand an Nadelgehölz.
Der Stuifen mit der ab 2011 großflächig abgeholzten Fläche auf der Nordseite, an der nun Labbäume wachsen, und dem Altbestand an Nadelgehölz. © Müller, Anja
Links der lichte, heranwachsende Laubwald, rechts der dichte Nadelwald.
Links der lichte, heranwachsende Laubwald, rechts der dichte Nadelwald. © Müller, Anja
Hellgrün auf der Karte der Bereich des Stuifen, wo sich der Umbau zum Laubwald seit 2011 vollzieht. Voraussichtlich im Herbst sollen auf 16 Hektar der angrenzenden dunkel schraffierten Flächen ebenfalls die Fichten abgeholzt werden.
Hellgrün auf der Karte der Bereich des Stuifen, wo sich der Umbau zum Laubwald seit 2011 vollzieht. Voraussichtlich im Herbst sollen auf 16 Hektar der angrenzenden dunkel schraffierten Flächen ebenfalls die Fichten abgeholzt werden. © Müller, Anja
Jens-Olaf Weiher erläutert die waldwirtschaft am Stuifen.
Jens-Olaf Weiher erläutert die waldwirtschaft am Stuifen. © Müller, Anja
Stehen die kleinen Weißtannen ungeschützt, geraten ihre Triebe zur Delikatesse fürs Wild.
Stehen die kleinen Weißtannen ungeschützt, geraten ihre Triebe zur Delikatesse fürs Wild. © Müller, Anja
Stuifen, Nordhang: unten die jungen Laubbäume, oben Altbestand an Fichten.
Stuifen, Nordhang: unten die jungen Laubbäume, oben Altbestand an Fichten. © Müller, Anja
Die Schwarzkiefern sind am Stuifen zwar nicht heimisch, vertragen Hitze und Trockenheit aber gut und helfen darum den Forstmitarbeitern beim Spiel auf Zeit gegen den Klimawandel.
Die Schwarzkiefern sind am Stuifen zwar nicht heimisch, vertragen Hitze und Trockenheit aber gut und helfen darum den Forstmitarbeitern beim Spiel auf Zeit gegen den Klimawandel. © Müller, Anja

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