Kindererziehung

Babys schreien lassen? Eltern-Kind-Bindung nimmt keinen Schaden, so Studie

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Abwarten und nicht sofort nach dem schreienden Baby sehen: Eine Studie zeigt, dies habe keinen negativen Einfluss auf die Eltern-Kind-Beziehung.

Das Baby ist da und mit ihm nicht nur ein ganz neuer Lebensabschnitt, sondern auch ungewohnter Geräuschpegel. Dabei ist es ganz normal und wichtig, dass Babys schreien – so machen sie auf sich und ihre Bedürfnisse aufmerksam. Für viele frisch gebackenen Eltern besteht aber häufig hier eine Herausforderung: sofort auf das Schreien reagieren oder etwas abwarten. Denn Abwarten könnte ja die gute Bindung beeinträchtigen – wirklich?

Babys schreien lassen? Zwei Experten sagen, Eltern-Kind-Beziehung nimmt keinen Schaden

Beim ersten Schreien des Babys sofort reagieren oder eher abwarten? Laut einer Studie schadet ein überlegtes Abwarten der Beziehung nicht. (Symbolbild)

„Kinder kriegen ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr...“ – Ein Sprichwort, das so manche Menschen, die Nachwuchs bekommen und erziehen, bestätigen würden. Ist das Baby auf der Welt, werden Eltern mit den verschiedensten Themen konfrontiert: Stillen – ja/nein und wie lange, wann und warum abstillen, wann die erste Beikost geben, wann in die Krippe, den Kindergarten schicken, was tun, wenn das Kind nicht durchschläft, wie bei Wutanfällen reagieren, das Kind möglichst früh zur Selbstständigkeit erziehen oder erstmal überbehüten, wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Nanny, wann darf das Kind alleine zu Hause gelassen werden?

Und neben all‘ diesen Themen und Fragen rund um das Baby ist wahrscheinlich eine der größten Herausforderungen im Leben der Eltern, dass der Nachwuchs sich in der ersten Zeit nur durch Weinen und Schreien und noch nicht mit Worten ausdrücken kann. Wenn das Baby dann noch pausenlos schreit und zum Schreibaby wird, können die Nerven der Eltern schon mal blank liegen. Wobei viele Eltern auf Osteopathie setzen, wenn ihr Kleines viel schreit oder schlecht schläft. Das Familienleben wird zur Belastung – noch mehr, wenn die Mutter eine postnatale bzw. postpartale Depression entwickelt.

Studie zeigt: Eltern, die intuitiv abwartend auf das schreiende Baby reagieren, schaden dem Kind nicht

Eine Studie unter der Leitung von Dr. Ayten Bilgin und Professor Dr. Dieter Wolke belegte, dass ein gestörtes Eltern-Kind-Verhältnis nicht die Folge ist, wenn Eltern beim Schreien ihres Babys in den ersten Lebensmonaten zunächst abwarten. Ganz im Gegenteil: Der Nachwuchs wurde ruhiger.

Die beiden Wissenschaftler Dr. Ayten Bilgin und Professor Dr. Dieter Wolke untersuchten 178 Neugeborene und deren Eltern über einen Zeitraum von 18 Monaten. Dabei lag der Fokus auf der jeweiligen Reaktion von Mutter und Vater. Zu Beginn der Studie und in den ersten Monaten reagierten die Eltern sehr feinsinnig auf ihr schreiendes Kind – in den Folgemonaten waren ihre Reaktionen bedachter und zunehmend zögerlicher. Das gab dem Baby die Möglichkeit, sein Verhalten selbst zu regulieren.

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Es zeigte sich, dass die Babys bis zum Alter von ca. 1,5 Jahren ruhiger wurden, wenn ihre Eltern in den ersten drei Monaten weniger schnell bzw. bedacht auf das Schreien ihres Nachwuchses reagierten – im Vergleich zu den Eltern, die dies nicht taten. Anhand der Ergebnisse psychologischer Tests konnten die Studienautoren aufzeigen, dass „Schreienlassen“ kein Zeichen von Herzlosigkeit oder mangelnder Zuneigung der Eltern sei. Es bestätigte sich somit nicht, dass das Kind unmittelbar mögliche Verhaltens­auffälligkeiten entwickle, weil Mutter oder Vater nicht sofort nach ihm gesehen hatten.

Erziehung: Sieben Dinge, die viele Kinder heute nicht mehr lernen

Schulklasse, die gemeinsam etwas erarbeitet.
Stillsitzen – das wurde früher noch regelmäßig in der Schule gefordert. Beim Kirchenbesuch oder den Großeltern lief es ähnlich ab. Hibbeln oder wippeln, immer etwas in den Händen zu haben war selten irgendwo gern gesehen. Heute ist das anders. Studien zeigen, dass Bewegung zwischendurch das Lernen unterstützt und auch insgesamt sind sich Experten einig: Mehr Bewegung, auch über die Schule hinaus, wäre wünschenswert. Das bedeutet aber nicht, dass Kinder in der Kirche oder einem feinen Restaurant umherrennen sollten – das wann und wo ist auch heute noch wichtig. (Symbolbild) © Wavebreak Media Ltd/Imago
Ein Kind balanciert auf einem Stamm am Meer.
Balancieren, auf einem Bein stehen, rückwärts gehen – bei Vorschuluntersuchungen fällt immer wieder auf, dass Fünfjährige immer öfter Probleme bei diesen Aufgaben haben. Besonders in größeren Städten sind bis zu 40 Prozent der Kinder motorisch etwas unterentwickelt. In der Grundschule selbst werden Seil- oder Stangenklettern im Sportunterricht seltener, weil immer weniger Kinder dies können. Aber das ist in der Regel kein Grund zur Besorgnis, denn in dem Alter kann viel aufgeholt werden. (Symbolbild) © Cavan Images/Imago
Ein Kind bindet seinen Schuh mit einer Schleife.
Wissen Sie noch, wie alt Sie waren, als Sie das Schleife binden lernten? Vor gut 20 Jahren wetteiferte man im Kindergarten darum, wer das noch vor der Einschulung fertigbringt. Heute kann sich gerade mal die Hälfte der Vier- bis Fünfjährigen ohne Hilfe anziehen, inklusive Schuhe binden. Einige Grundschulen haben darauf reagiert – und verbieten Schnürsenkel. Die Lehrenden haben einfach Besseres zu tun, als den ganzen Tag Schleifen an Kinderschuhen zu binden. (Symbolbild) © eyevisto/Imago
Ein Junge wäscht ab.
Wussten Sie, dass nur 23,5 Prozent der Haushalte 1983 Spülmaschinen besaßen? Heute sind es knapp 72 Prozent. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Kinder heute nicht mehr überall beim Abwasch helfen müssen. Auch beim Staubsaugen wird immer weniger Unterstützung gefordert, schließlich gibt es in immer mehr Familien Saugroboter. Trotzdem: Kinder können – und sollen – durchaus im Haushalt helfen. Das steht sogar im Gesetz (§ 1619 BGB). In welchem Maße bleibt natürlich den Eltern überlassen, aber häufig sind Hilfe beim Tischdecken/-abräumen oder das Einräumen der Spülmaschine üblich, auch für Kinder ab drei Jahren. (Symbolbild) © Valentina Barreto/Imago
Junge versteckt sich ängstlich unter einem Tisch.
Prügel, Schläge, Angst – früher war der Rohstock im Klassenzimmer weit verbreitet. In der DDR wurde er (und damit die Prügelstrafe) 1949 aus der Schule verbannt. Langsam folgte auch der Rest Deutschlands, in Teilen von Bayern wurde aber bis Anfang der 1980er Jahre immer noch auf diese Art durchgegriffen. Und erst seit 2000 gilt, laut Gesetz, endlich auch zu Hause: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ (§ 1631 BGB, Abs. 2) (Symbolbild) © Vasily Pindyurin/Imago
Ein Kind versteckt sich, es sind nur die Augen und die Mütze zu sehen.
„Gib‘ der Tante mal die Hand, Kind“ – der Spruch klingt nicht nur verstaubt, er ist es zum Glück auch. Da heute mehr auf die Kinder und ihre Bedürfnisse eingegangen wird, muss keiner mehr irgendwem die Hand oder ein Küsschen geben, wenn er oder sie das nicht möchte. Eine Wohltat, vor allem für schüchterne Sprösslinge. (Symbolbild) © Pawel Opaska/Imago
Junge allein im winterlichen Wald.
Mittagessen für die Geschwister machen, alleine zu Hause oder draußen sein: Viele Kinder mussten vor einigen Jahrzehnten diese Erfahrungen früh machen. Auch, wenn sie dafür vielleicht noch zu jung und von der Verantwortung überfordert waren. Heute haben Eltern mehr Zeit für ihre Kinder oder sorgen für entsprechende Betreuung und das Alleinsein kommt vergleichsweise spät. Das ist auf der einen Seite sehr löblich und gut, passierten doch früher auch oft Unfälle. Aber ein bisschen traurig ist es auf der anderen Seite auch, denn manchmal birgt ein kleiner Waldabschnitt viel mehr Möglichkeiten für Fantasie und Abenteuer als der moderne Spielplatz um die Ecke. (Symbolbild) © Frank van Delft/Imago

Fazit und Empfehlung der Wissenschaftler: sich als Eltern vorrangig auf die eigene Intuition verlassen und dem Baby auch vertrauen sowie zutrauen, dass es sich gegebenenfalls selbst beruhigen kann. Wenn es das nicht kann, wenden Sie sich in jedem Fall an Ihren Kinderarzt oder eine Schreiambulanz.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren RedakteurInnen leider nicht beantwortet werden.

Rubriklistenbild: © Cavan Images/Imago

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