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Immerhin, es ist ein Etappensieg. Was für Werder Bremen im Jahr 2020 schon einiges bedeutet. Nur gibt es dafür keine Punkte, allerdings stand fast noch mehr auf dem Spiel. Die DeichStube* analysiert die schwierige sportpolitische Situation des SV Werder Bremen in der DFL.
Bremen – Das Präsidium der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hatte die 36 Erst- und Zweitligisten in dieser Woche im Hauruck-Verfahren zu einer Entscheidung in der Abstiegsfrage für den Fall des Saisonabbruchs nötigen wollen. Vor allem Werder Bremen wehrte sich dagegen, brachte anders als in der Vergangenheit weitere Clubs hinter sich, das Thema wurde am Donnerstag auf der Mitgliederversammlung vertagt. Aber nur für zwei Wochen, dann soll es eine verbindliche Lösung geben. Und gleichzeitig sorgt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer dafür, dass bei DFL-Boss Christian Seifert die Zornesröte beim Gedanken an die Hansestadt nicht an Kraft verliert. Werder und die DFL – die Beziehung wird zunehmend schwieriger und auch gefährlich.
Ulrich Mäurer über Coronavirus-Fall: Werder Bremen müsste komplett in Quarantäne
„Ich halte den Start der Bundesliga zu diesem Zeitpunkt für unverantwortlich. Nach einer Empfehlung des Robert Koch-Instituts haben wir alle größeren Ansammlungen in Deutschland untersagt“, betonte Mäurer im „Spiegel“. Der SPD-Politiker drohte einmal mehr damit, Geisterspiele in Bremen zu verbieten, falls sich am Montag beim Heimspiel gegen Leverkusen Fans am Stadion versammeln und dabei den Mindestabstand nicht einhalten sollten. Damit aber nicht genug. Mäurer stellte auch klar, dass nicht nur ein positiv getesteter Spieler in eine 14-tägige Quarantäne müsste, sondern auch alle seine Kontaktpersonen – demnach die ganze Mannschaft. Lediglich bei Feuerwehr und Polizei würde in Bremen eine Ausnahme gelten, „weil wir nicht eine ganze Feuerwache nach Hause schicken können, wenn dort ein Coronavirus-Fall auftritt“, so Mäurer.
Kein anderer Politiker gibt der DFL so viel Contra wie Mäurer. Das hat schon Tradition, der Polizeikosten-Streit lässt grüßen. Für den SV Werder Bremen hat das immense Folgen. Aus Frankfurt, dem Sitz der DFL, ist zu hören, dass Seifert längst eine persönliche Abneigung gegenüber Bremen und letztlich auch gegenüber Werder entwickelt habe. Selbst wenn Traditionsclubs mit ihrer Strahlkraft für die Attraktivität der Liga wichtig seien, würden bei einem Abstieg der Grün-Weißen sehr wahrscheinlich keine Tränen in der DFL-Zentrale kullern.
Werder Bremen wollte Bundesliga-Neustart verschieben - die DFL nicht
Dabei hat sich Werder Bremen stets extrem loyal gegenüber der DFL verhalten. Clubboss Klaus Filbry, der seine unfreiwilliges Ende als Präsidiumsmitglied vor einem Jahr offenbar gut verkraftet hat, lobte in der Vergangenheit ausdrücklich die Arbeit von Seifert in dieser schwierigen Zeit, warb um Verständnis für den Profi-Fußball. Mit der überraschenden Offenlegung fast aller Geschäftszahlen stützte Filbry sogar Seiferts These, dass vielen Vereine ohne die Fortsetzung des Spielbetriebs die Pleite drohe. Wenn dann aber Entscheidungen anstanden, wurden Werders Vorschläge vom DFL-Präsidium, das längst nach den Wünschen von Seifert besetzt ist, abgebügelt. So wie bei der Forderung von Sportchef Frank Baumann, die Saison erst in einer Woche fortzusetzen, damit sich alle Clubs unter ähnlichen Bedingungen vorbereiten könnten.
Doch nun gab es die Wende, eine kleine zumindest. Filbry, Baumann und Aufsichtsratschef Marco Bode schafften es, das forsche DFL-Präsidium zu stoppen. Bode führte das Gremium sogar öffentlich vor, als er den Antrag als „nicht sorgfältig ausgearbeitet“ bezeichnete und auch noch die Eile bei einem so wichtigen Thema anprangerte. Schon in der Teilversammlung der 18 Erstligisten wurde die gewünschte schnelle Abstimmung abgelehnt und schaffte es deshalb gar nicht mehr auf die Tagesordnung der Mitgliederversammlung am Donnerstag. Sieben Clubs hatte Werder Bremen hinter sich versammelt – darunter auch den FC Bayern. Sie alle wünschten sich wie Bode, dass erst nach einem möglichen Saison-Abbruch entschieden werden soll, wie die Spielzeit gewertet wird. Die anderen zehn Clubs stimmten zwar für eine Vertagung, strebten aber eine rasche Lösung an. Mit Erfolg. Die Mehrheit der 36 Clubs sprach sich dafür aus, dass in zwei Wochen eine Entscheidung gefällt werden muss.
Zwist mit der DFL: Werder Bremen muss Lobbyarbeit betreiben
Das DFL-Präsidium, dessen Mitglieder sich mit ihren Clubs nicht in Abstiegsgefahr befinden, wird nicht locker lassen, seinen Vorschlag durchzudrücken. Bei einem Abbruch soll die aktuelle Tabelle gelten, um Meister und zwei Absteiger zu ermitteln. Der Fall eines Saison-Abbruchs taucht in den Statuten nicht auf, es müsste wahrscheinlich eine Satzungsänderung her, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert.
In den nächsten Tagen geht es nun darum, Mehrheiten zu finden. Lobbyarbeit. Die naheliegende und auf den ersten Blick unangenehmste Lösung für die meisten Clubs wäre der Verzicht auf den Abstieg und die Aufstockung der Ligen. Doch da spielen viele Vereine nicht mit, weil dann die TV-Gelder nicht mehr auf 36, sondern auf 40 Erst- und Zweitligisten verteilt werden müssten. Und bei Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf – gerade im Fußball.
Es wird spannend, welche Rolle der SV Werder Bremen in den Verhandlungen nach dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen einnehmen wird. Machen Bode und Co. aus dem Etappen- noch einen Gesamtsieg? Oder setzt sich am Ende doch die DFL-Spitze um Seifert durch? Und wie funkt Mäurer dazwischen? Für das drohende Bremer Geisterspiel-Verbot hat die DFL übrigens schon vorgesorgt und ab sofort einen Standort-Wechsel der Gastgeber genehmigt – übrigens mit Werders Zustimmung. (kni)
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