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Verrückte Aufholjagd des TSB Gmünd

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Zwischen Erschöpfung und unbändigem Jubel - nach dem Ausgleichstreffer herzten die TSBler ihren zwölffachen Torschützen Wolfgang Bächle (Nr.3, in der Mitte)
Zwischen Erschöpfung und unbändigem Jubel - nach dem Ausgleichstreffer herzten die TSBler ihren zwölffachen Torschützen Wolfgang Bächle (Nr.3, in der Mitte) © Nico Schoch

Niederlage in der Schlussphase verhindert: Innerhalb der letzten drei Minuten holen die Gmünder einen Vier Tore-Rückstand auf und erkämpften sich ein 39:39 (19:18) in Herrenberg.

Herrenberg

Auf dem Weg zum immer näher rückenden Klassenerhalt entwickeln die „Jets“ immer mehr eine Eichhörnchen-Mentalität. Wie schon in der vergangenen Woche gegen Blaustein (23:23) war es auch in Herrenberg ein Tor letzter Sekunde, das für einen großen Gmünder Jubelsturm sorgte. Mittendrin Wolfgang Bächle, der beim alles entscheidenden Wurf zum 39:39-Endstand die Nerven behielt. „Völlig verrückt“ nannte der Rechtsaußen dieses späte Comeback. Denn drei Minuten zuvor sahen die Gäste beim 35:39 noch wie der sichere Verlierer aus. Am Ende gab es donnernden Applaus für beide Teams, die den 370 Zuschauern ein wahres Spektakel geboten hatten.

Von einem „gefühlten Sieg“ sprach TSB-Trainer Michael Stettner. Denn der Punktgewinn kam aufgrund der angespannten Personalsituation gleich doppelt unverhofft. Da Jonas und Philipp Schwenk auf einer Hochzeit weilten, war Routinier Christian Waibel erneut in den Kader gerückt. Der 34-Jährige bestritt wenige Stunden zuvor noch mit dem TSB-Perspektivteam das Bezirksliga-Topspiel in Heiningen (27:25) – ebenso wie auch die Youngster Tom Abt, Eric Zimmermann und Arian Pleißner. „Sie alle haben sich in den Dienst des Vereins gestellt“, honorierte Stettner diesen außergewöhnlichen Kraftakt: „Sich unter diesen Voraussetzungen noch mit einem Punkt zu belohnen, ist der Wahnsinn. Die Jungs besitzen wirklich großen Charakter, das macht aus Trainersicht extrem viel Spaß.“

Der scheinbar nimmermüde Abt war es auch, der gemeinsam mit Nicola Rascher die wiedererstarkte Gmünder Angriffsmaschine antrieb. Zwar lag der TSB zu Beginn immer knapp zurück, antwortete bis zum 7:7 (14.) aber stets mit dem schnellen Ausgleich. Der massive Chancenwucher der vergangenen Wochen geriet völlig in Vergessenheit. Nachdem Keeper Daniel Mühleisen einen Strafwurf parierte, warf Jan Spindler die Gäste mit 9:8 (17.) erstmals in Front. Wenig später bediente der Spielmacher seinen Kreisläufer Jonas Waldenmaier, der auf 12:9 (20.) erhöhte. Dieses kleine Polster hätte der TSB eigentlich auch in die Halbzeitpause mitnehmen müssen. Doch der letzte Angriff endete mit einem Fehlpass, woraufhin Herrenberg mit der Pausensirene den 19:18-Anschluss herstellte. „Das war eigentlich ziemlich glücklich für uns“, stellte SG-Trainer Fabian Gerstlauer fest.

Die zweite Halbzeit war gerade erst 90 Sekunden alt, da sah sich Gerstlauer bereits zu seiner nächsten Auszeit gezwungen. Zimmermann und Abt hatten zwei Herrenberger Ballverluste im Tempo-Gegenstoß bestraft und auf 22:18 (32.) erhöht. Die Gmünder Freude war allerdings nur von kurzer Dauer, die Hausherren zogen mit einem 4:0-Lauf beim 24:24 (37.) gleich. Für beide Torhüter war es ein undankbarer Arbeitstag, für die Außenspieler auf beiden Seiten hingegen ein wahrer Festtag. Bächle hielt den TSB bis zum 29:29 (44.) im Rennen, doch durch einen Distanzwurf ins leerstehende Gehäuse geriet man erstmals mit zwei Toren ins Hintertreffen. Für die steigende Fehlerquote wollte der Trainer seinen arg strapazierten Mannen allerdings gar nicht groß kritisieren. „Wir mussten einfach akzeptieren, dass besonders in der Abwehr irgendwann einmal die Kraft fehlt“, so Stettner: „Was wir uns allerdings vorwerfen müssen, ist die Tatsache, dass wir uns völlig grundlos selbst dezimieren.“

Gemeint ist die 54.Spielminute. Durch einen Doppelschlag von Zimmermann hatte sich der TSB gerade wieder auf 34:35 herangetastet, da wurde Rascher und dann Bächle für zwei Minuten auf die Bank geschickt. Co-Trainer Volker Haiser handelte sich wegen Reklamierens gleich die nächste Zeitstrafe ein. So waren nur noch drei Gmünder Feldspieler übrig geblieben, als Herrenbergs Spielmacher Valentin Mosdzien den folgenden Strafwurf zum 34:36 verwandelte. Kurz darauf sorgte SG-Linksaußen Leon Fischer, von Mosdzien hervorragend in Szene gesetzt, mit dem 35:39 (57.) und die vermeintliche Vorentscheidung. „Da war das Spiel für uns eigentlich gelaufen“, fasste Stettner zusammen, was in diesem Moment jeder dachte. Doch die TSBler mobilisierten die allerletzten Kraftreserven – allen voran Abt und Zimmermann, die eben schon weit mehr als die üblichen 60 Minuten in den Knochen hatten. Letzterer plagte sich mit Krämpfen herum und ließ dennoch neue Hoffnung aufkeimen, als er einen schnellen Konter zum 37:39 (58.) verwandelte. „Wenn man wieder in den Flow kommt und merkt, dass doch noch etwas geht, dann blendet man die Schmerzen komplett aus“, betonte Zimmermann anschließend.

Der Einsatz sollte sich auszahlen. Herrenberg leistete sich ein Stürmerfoul, Bächle stürmte nach vorne und hatte das Glück auf seiner Seite, dass SG-Keeper Finn Hummel den Wurf zwar mit dem Fuß touchierte, aber nicht retten konnte. Dennoch hätten die Hausherren den Deckel drauf machen können. Doch TSB-Rückhalt Mühleisen war genau dann zur Stelle, als es auf ihn ankam. Nach seiner Parade blieb den Vorderleuten 30 Sekunden Zeit für den letzten Angriff: Abt steckte den Ball hinaus zu Bächle und traf aus herausforderndem Winkel zum 39:39-Endstand. Eine gewisse Nervosität konnte der 28-Jährige nicht abstreiten: „Doch in so einer Situation musste und wollte ich als einer der erfahrensten Spieler die Verantwortung übernehmen. Das hat gut geklappt.“

Der Lohn: Die „Comeback-Könige“ des TSB Gmünd sind dem vorzeitigen Klassenerhalt einen weiteren Schritt näher gekommen. Endgültig klar machen lässt sich das zwar erst in zwei Wochen, doch mit einem Sieg im Nachholspiel beim TSV Weinsberg am kommenden Samstag (20 Uhr / Weibertreuhalle) wäre die Grundlage gelegt. „Wir wissen, dass wir gut dastehen“, erklärt Trainer Michael Stettner mit Blick auf das komfortable Neun Punkte-Polster: „Doch ich mache mir gar keine Sorgen, dass die Jungs jetzt nachlassen.“ Der denkwürdige Schlussakkord in Herrenberg war das beste Beispiel hierfür.

TSB: Mühleisen, Füchtner – Bächle (12), Zimmermann (7), Rascher (7/2), Abt (5), Waldenmaier (5), Spindler (2), Andreas Maier (1), Waibel, Pleißner, Waldraff (n.e.), Boland (n.e.), Watzl (n.e.)

Siebenmeter: SG 6/5 – TSB 3/2

Zeitstrafen: SG 4 Minuten – TSB 12 Minuten

Schiedsrichter: Vincent Maaß, Kai Füller (SG Burlafingen/PSV Ulm)

Zuschauer: 370

Stimmen zum Spiel: „Ein gutes Wurftraining für beide Teams“

Fabian Gerstlauer, SG-Trainer: „Laut Statistik ist es ein gerechtes Unentschieden. Doch wenn man drei Minuten vor Schluss mit vier Toren vorne liegt, ist es schade, nicht beide Punkte behalten zu können.

Michael Stettner, TSB-Trainer: „Für diese Leistung hat sich die Mannschaft meine allergrößte Hochachtung verdient. Bei fünf Toren Vorsprung kann jeder an den Sieg glauben. Aber in einer solchen Situation, in der wir uns selbst dezimieren und das Spiel gefühlt schon verloren haben, zeigt sich der wahre Charakter. Da merkt man, was wir für eine verschworene Einheit sind und dass alle an einem Strang ziehen. Ich weiß nicht, woher die Jungs noch die Kraft hergenommen haben.“

Wolfgang Bächle, TSB-Rechtsaußen: „In bald zehn Jahren beim TSB habe ich so etwas noch nie erlebt. Kein Mensch hätte gedacht, dass wir diesen Rückstand noch aufholen.“

Eric Zimmermann, TSB-Linksaußen: „Es war schon ein extrem wildes Spiel. Dieser eine Punkt fühlt sich extrem gut an, auch wenn es zwei hätten sein können.

Nicola Rascher, TSB-Kapitän: „Eine solche Aufholjagd habe ich selbst im Fernsehen noch nie erlebt. Das funktioniert eben nur, wenn die Mannschaft so intakt ist wie bei uns.“

Zwischen Erschöpfung und unbändigem Jubel - nach dem Ausgleichstreffer herzten die TSBler ihren zwölffachen Torschützen Wolfgang Bächle (Nr.3, in der Mitte)
Zwischen Erschöpfung und unbändigem Jubel - nach dem Ausgleichstreffer herzten die TSBler ihren zwölffachen Torschützen Wolfgang Bächle (Nr.3, in der Mitte) © Schoch
TSB-Trainer Michael Stettner zeigte sich vollen Lobes für den Kampfgeist und Charakter seiner Mannschaft, die erneut einen hohen Rückstand aufholte.
TSB-Trainer Michael Stettner zeigte sich vollen Lobes für den Kampfgeist und Charakter seiner Mannschaft, die erneut einen hohen Rückstand aufholte. © Schoch
TSB-Trainer Michael Stettner zeigte sich vollen Lobes für den Kampfgeist und Charakter seiner Mannschaft, die erneut einen hohen Rückstand aufholte.
TSB-Trainer Michael Stettner zeigte sich vollen Lobes für den Kampfgeist und Charakter seiner Mannschaft, die erneut einen hohen Rückstand aufholte. © Nico Schoch

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