Witwer kündigt Klage an

Wegen Covid-19-Erkrankung: Hochschwangere offenbar von Kliniken abgewiesen - dann kommt jede Hilfe zu spät

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Die Geburt ihres Kindes erlebte sie nicht mehr: In der Türkei starb eine Hochschwangere an einer Covid-19-Erkrankung.
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Sie war im neunten Monat schwanger. Und an Covid-19 erkrankt. Nun ist sie tot. Der Witwer wirft mehreren Kliniken vor, seine Partnerin abgewiesen zu haben, obwohl sie große Schmerzen hatte.

Istanbul/München - Die Corona-Pandemie* hat weltweit bereits mehr als 1,5 Millionen Menschenleben gefordert. Und da sind die indirekten Opfer der verheerenden Krise noch gar nicht eingerechnet. Vereinsamte, denen die Zuneigung ihrer Liebsten fehlte. Oder andere Erkrankte, die sich aus Angst vor Ansteckung zu lange um den Gang zum Arzt gedrückt haben. Nicht zuletzt Patienten, deren Behandlung wegen dringender Covid-19-Fälle aufgeschoben werden musste.

In der Türkei steht nun sogar ein ungeheuerlicher Vorwurf im Raum: Musste eine Hochschwangere an ihrer Covid-19-Erkrankung sterben, weil mehrere staatliche Krankenhäuser ihre Aufnahme verweigert haben? So schildert es der in Istanbul lebende Ramazan K. in der Gazete Duvar. Seine Partnerin Dönus K. sei zu Hause in Quarantäne gewesen, als ihre Schmerzen so unerträglich* wurden, dass sie ihn darum gebeten habe, eine Klinik aufzusuchen.

Hochschwangere stirbt an Covid-19: Witwer schildert dramatische Suche nach Klinik

Die Wahl fiel auf jenes Krankenhaus, in dem 32-Jährige seit Monaten immer wieder zur Schwangerschaftsbegleitung vorbeigeschaut hatte. Doch diesmal seien die Türen für das Paar verschlossen geblieben. „Als ich sagte, dass meine Frau mit dem Coronavirus infiziert ist, ließen sie uns nicht einmal rein“, echauffiert sich Ramazan K., der sich jedoch nicht so einfach abwimmeln lassen wollte und sogar den Krankenhaus-Direktor rufen ließ.

Dieser habe ihm an jenem 3. November aber ebenfalls nur Ablehnung entgegengebracht und betont: „Wir sind kein Pandemie-Krankenhaus. Um unsere anderen Patienten zu schützen*, akzeptieren wir keine Patienten mit Covid.“ Nach längerer Diskussion sei noch der Tipp erfolgt: „Kommen Sie wieder, wenn Ihre Frau einen negativen Corona-Test hat.“ Was tatsächlich reiner Hohn wäre, da sich Dönüs K. ja eben wegen ihrer Covid-19-Erkrankung in ärztliche Hände begeben wollte. Die habe sich vor Schmerzen gekrümmt, doch es half alles nichts: Das Paar musste weiterziehen.

Hochschwangere stirbt an Covid-19: Kliniken verweisen auf staatliche Quote

Zwei weitere Krankenhäuser hätten den K.‘s die Türen ebenfalls nicht geöffnet. Es habe vielmehr geheißen: „Wir können keine schwangeren Frauen mit Corona behandeln. Der Staat gibt uns eine Quote vor und die können wir nicht überschreiten.“

Erst in einer privaten Klinik auf der europäischen Seite der türkischen Metropole seien sie eingelassen worden. Für die im neunten Monat schwangere Dönüs K. kam jedoch jede Hilfe zu spät: Sie überlebte den Eingriff nicht. „Warum haben Sie Ihre Frau nicht direkt hierher gebracht? Warum haben Sie so lange gewartet? Die Infektion Ihrer Partnerin ist sehr weit fortgeschritten“, hätte ihm der behandelnde Arzt gesagt, so Ramazan K. weiter: „Leider haben wir sie verloren. Wären Sie noch später gekommen, hätten wir auch das Kind verloren.“

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Hochschwangere stirbt an Covid-19: Witwer fühlt sich „im Stich gelassen“

Nun erhebt der trauernde Witwer schwere Vorwürfe, fragt desillusioniert: „Ist das Leben eines Menschen so wenig wert?“ In der Gazete Duvar kündigte er an, die Klinik zu verklagen, die zwar die Schwangerschaft unterstützte, bei der Covid-19-Erkrankung jedoch abgewunken habe. „Wir haben eine Frau verloren, die ihr Leben jahrelang Kindern und der Bildung gewidmet hat. Dieser Staat hat eine Lehrerin verloren, ein Kind seine Mutter. Sie haben uns im Stich gelassen“, kritisiert er.

Das Krankenhaus setzt sich aber zur Wehr, wies die Anschuldigungen als „unwirklich, diffamierend und irreführend für die Öffentlichkeit“ zurück. Die Leitung würde sich an die Vorschriften und Anweisungen halten, „die durch die außerordentlichen Bemühungen unseres Präsidenten und unseres Gesundheitsministeriums zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlassen wurden“. Es sei noch kein Patient an der Tür abgewiesen worden, zudem werde „maximale Aufmerksamkeit und Sensibilität“ in Behandlung und Pflege gelegt.

Hochschwangere stirbt an Covid-19: Witwer schildert dramatische Suche nach Klinik

Weiter heißt es in der Stellungnahme gegenüber dem Blatt, nach dem positiven PCR-Test* vom 29. Oktober sei die Familie entsprechend instruiert worden und habe sich bei der Bezirksgesundheitsbehörde und anderen staatlichen Kliniken gemeldet. In dem Krankenhaus selbst sei Dönüs K. nicht mehr gewesen - dies würde durch eine Petition gestützt, die der Witwer am 16. November bei der Bezirksgesundheitsdirektion abgegeben habe.

Somit handele es sich bei dessen Vorwürfen um „eine schwerwiegende Verletzung der Persönlichkeitsrechte zum Zweck der Demütigung in der Öffentlichkeit“. Zudem wurde erklärt, „alle Arten von rechtlichen Mitteln“ anzustrengen.

Hochschwangere stirbt an Covid-19: Protestler ziehen vor Klinik auf

Doch der Gegenwind für die staatlichen Kliniken wird schärfer. So berichtet Gazete Duvar auch von einer Demonstration vor dem Krankenhaus, an dessen Eingang das Unheil seinen Lauf genommen haben soll. Die Protestler hätten dabei Gesundheitsminister Fahrettin Koca dazu aufgefordert, eine Untersuchung einzuleiten.

Die Kritik richtete sich vor allem auf die Bettenknappheit in den Einrichtungen. In dessen Folge sei zuletzt auch ein anderthalbjähriger Säugling gestorben. Insgesamt monierte die Gruppe das „Versagen des Gesundheitsministeriums und der Regierung* bei der Bewältigung der Pandemie“. (mg) *merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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