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Einbürgerungs-Streit: FDP will Antisemitismus-„Test“ - Grüne wittert Ablenkungsstrategie

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Von: Florian Naumann

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Antisemitismus-Test für die Einbürgerung? Die Grüne Marlene Schönberger ist irritiert über Forderungen der FDP um General Bijan Djir-Sarai.
Antisemitismus-Test für die Einbürgerung? Die Grüne Marlene Schönberger ist irritiert über Forderungen der FDP um General Bijan Djir-Sarai. © Montage: Imago/Arnulf Hettrich/Future Image/penofoto/fn

Ein Einbürgerungsstreit in der Ampel schlägt hohe Wellen. Grüne und SPD sind irritiert über eine FDP-Forderung, wie sie bei FR.de klarstellen.

Frankfurt/Berlin - Die Ampel-Koalition streitet mal wieder. Diesmal allerdings über eine auch gesellschaftlich und historisch hochbrisante Frage - über das geplante neue Einbürgerungsgesetz und das Problem Antisemitismus. Erneut steht die FDP einem Block aus SPD und Grünen gegenüber. Sie fordert offenbar neben einem „Eid“ auch einen Antisemitismus-Test für Einbürgerungswillige.

Die Bild veranlasste der Zoff am Donnerstag (9. März) zu der provokanten Frage, ob die SPD „auch Judenhasser einbürgern“ will. Parlamentarier von Sozialdemokraten und Grünen sehen die Sachlage auf Anfrage von FR.de von IPPEN.MEDIA allerdings ganz anders. Die Grünen-Abgeordnete Marlene Schönberger etwa erkennt eine „Ablenkungsstrategie“ - und warnt vor „wissenschaftlich fragwürdigen Tests“.

Einbürgerung Ampel-Konfliktherd: FDP fordert wohl „Test“ und „Katalog“ gegen antisemitische Haltungen

Der Hintergrund: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im November Grundzüge einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vorgestellt. Den Umfragen zufolge durchaus umstrittenen Plänen nach soll es etwa bereits nach fünf Jahren statt wie bisher acht Jahren möglich sein, unter bestimmten Voraussetzungen den deutschen Pass zu erhalten. Nach drei Jahren soll das möglich sein, „sofern der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann“ sowie hohe Anforderungen beim Erwerb der deutschen Sprache erfüllt, zitierte die Nachrichtenagentur AFP aus dem Entwurf.

Die FDP legt besonderen Wert auf die wirtschaftliche Dimension: „Eingebürgert werden darf nur, wer seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten und für seine Familie sorgen kann“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Bild. Auch eine „echte Loyalitätserklärung“ sei notwendig. Nach Informationen des Blattes dringen die Liberalen aber auch auf Ausschlusskriterien bei antisemitischen Einstellungen: Neben Eid und Test sei auch von einem „Katalog“ für relevante, auch kleinere, Delikte und eine Prüfung auf Mitgliedschaft in antisemitischen oder verfassungsfeindlichen Organisationen nötig.

Antisemitismus in Deutschland: Problem in „allen gesellschaftlichen Bereichen“

Aus Schönbergers Sicht sind diese Forderungen zu kurz gedacht, wie die Grüne gegenüber FR.de klarstellte. Einerseits sei ohnehin ein Bekenntnis zum Grundgesetz und zur Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung die Voraussetzung für die Einbürgerung. Andererseits sei das Antisemitismus-Problem wesentlich größer.

„Mindestens ein Viertel aller in Deutschland lebenden Menschen hat offen oder latent antisemitische Einstellungen“, betonte die Grüne, betroffen seien „alle gesellschaftlichen Bereiche“ und das „gesamte politische Spektrum“ - die größte Bedrohung für jüdisches Leben gehe dabei von der extremen Rechten aus. 

Lindner kassiert Seitenhieb im Ampel-Streit: Prävention „Anliegen, das die FDP hoffentlich unterstützt“

„In Bezug auf Antisemitismus den Fokus vor allem auf Menschen zu richten, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, ist häufig eine Ablenkungsstrategie. Der vorgeschlagene Test schlägt in diese Kerbe und ist zur Bekämpfung von Antisemitismus wenig zielführend“, rügte Schönberger den mutmaßlichen FDP-Vorstoß: „Gesamtgesellschaftlich brauchen wir daher keine wissenschaftlich fragwürdigen Tests für Einzelne, sondern dringend mehr Antisemitismusprävention durch politische Bildung.“

Sie verknüpfte eine Mahnung im laufenden Haushaltsstreit: Die Prävention sei „ein Anliegen, das die FDP hoffentlich in den kommenden Haushaltsverhandlungen unterstützt“. FDP-Chef Christian Lindner hat gerade erst die Vorstellung des Etat-Entwurfs für 2024 verschoben - er will Mehrausgaben verhindern. Gerade die Grünen liegen im Clinch mit diesem strikten Kurs.

Einbürgerung in Deutschland: Auch SPD irritiert über FDP-Vorstoß

Auch der SPD-Abgeordnete Hakan Demir erkannte hinter dem FDP-Wunsch eher eine Luftnummer. Gegen Antisemitismus vorzugehen, gehöre selbstverständlich zur Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung. „Die FDP fordert hier aber im Endeffekt nichts, was nicht entweder schon Rechtslage ist, oder ohnehin im aktuellen Gesetzesentwurf noch herausgestellt werden soll“, sagte er am Donnerstag mehrere Medien, darunter auch FR.de.

„Alle Einbürgerungsbewerber müssen bereits jetzt ein Bekenntnis zu freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgeben“, betonte auch Demir. „Rechtslage ist außerdem schon: bei antisemitisch begründeten Straftaten gilt die Bagatellgrenze nicht, die es sonst für Straftaten bei Einbürgerungen gibt.“ Gesetzlich klargestellt werden solle, dass Antisemitismus gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes verstößt. Einen spezifischen Test brauche es aber nicht. (fn)

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