- VonSven Haubergschließen
Wie soll der Westen reagieren, falls China in Taiwan einmarschiert? Die britische Außenministerin sieht die Nato in der Pflicht.
München/London - Der russische Einmarsch in der Ukraine hat den Blick von Sicherheitsexperten weltweit nicht nur nach Kiew und Moskau gelenkt, sondern auch nach Asien. Könnte sich China durch das russische Vorgehen ermutigt fühlen, einen lange gehegten Plan umzusetzen und Taiwan mit Gewalt ans eigene Staatsgebiet anzugliedern? Oder schrecken die geeinte Reaktion des Westens und die hohen russischen Verluste Peking von einem derartigen Schritt ab? Die britische Außenministerin Liz Truss jedenfalls glaubt, dass die Nato der Regierung in Taipeh im Falle eines Falles beistehen solle.
„Wir brauchen eine globale Nato“, sagte Truss am Mittwoch in einer Grundsatzrede zur Sicherheitspolitik ihres Landes. „Damit meine ich nicht die Ausweitung der Mitgliedschaft auf andere Regionen. Ich meine, dass die Nato eine globale Perspektive haben muss und bereit sein muss, globale Bedrohungen zu bekämpfen.“ Das Verteidigungsbündnis solle sich nicht mehr nur auf die euro-atlantische Sicherheit konzentrieren, sondern auch auf die Sicherheit im Indopazifik. Die Nato müsse zusammen mit Verbündeten wie Japan und Australien für Stabilität in der Region sorgen, so Truss. „Und wir müssen sicherstellen, dass Demokratien wie Taiwan in der Lage sind, sich selbst zu verteidigen.“ Was das genau bedeuten würde, ließ Truss offen.
China und Taiwan: Angst vor einer Invastion
China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz und droht seit Jahren mit der militärischen Eroberung der Insel. Die Regierung in Taipeh wird nur von wenigen Ländern weltweit anerkannt. Auch die USA unterstützen offiziell Pekings „Ein-China-Politik“, beliefern Taiwan aber seit Jahrzehnten mit Waffen. Ob Washington Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs auch militärisch unterstützen würde, ist unklar. Zuletzt brachte Japans Ministerpräsident Fumio Kishida den Ukraine-Krieg mit der Taiwan-Frage in Verbindung. Mit Blick auf Chinas wachsendes Machtstreben sagte er, eine gewaltsame einseitige Änderung des Status Quo, wie es Russland in der Ukraine versucht, dürfe man „in Ostasien nicht zulassen“.
In ihrer Grundsatzrede gibt die britische Außenministerin Truss auch auf die globale Rolle Chinas ein. Der weltweite Aufstieg des Landes sei „nicht unvermeidbar“, sagte Truss. Vielmehr werde China „nicht weiter aufsteigen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten“. Als Beispiel nannte die konservative Politikerin das chinesische Vorgehen gegen Litauen. Seitdem Litauen es der taiwanischen Regierung erlaubt hatte, in der Hauptstadt Vilnius eine Repräsentanz unter eigenem Namen zu eröffnen, überzieht Peking das EU-Land mit wirtschaftlichen Sanktionen. Truss kritisierte auch, dass Peking den russischen Einmarsch in der Ukraine bis heute nicht wirklich verurteilt hat.
„China braucht den Handel mit der G7“, sagte Truss weiter. „Wir repräsentieren die Hälfte der Weltwirtschaft. Und wir haben die Wahl.“ Gegenüber Russland habe man bereits gezeigt, wozu die G7 - der Zusammenschluss von sieben wirtschaftlich bedeutenden Staaten - fähig sei, so Truss mit Blick auf China.
China und Taiwan: Unterschiedliche Reaktionen auf Truss-Rede
Taiwan und China reagierten erwartungsgemäß völlig unterschiedlich auf die Rede der britischen Außenministerin. Das taiwanesische Außenministerium erklärte am Donnerstag, es begrüße die Äußerung und werde die Zusammenarbeit mit Großbritannien und anderen gleichgesinnten Partnern weiter vertiefen. In Peking hingegen wiederholte Außenamtssprecher Wang Wenbin die Behauptung der chinesischen Regierung, die Nato sei „ein Produkt des Kalten Kriegs“ und „zu einem Instrument für das Hegemoniestreben einzelner Staaten geworden“. Weiter kritisierte Wang, dass die Nato als nordatlantische Organisation „in den letzten Jahren in die asiatisch-pazifische Region gekommen ist, um ihre Macht zur Schau zu stellen und Konflikte zu schüren“.
Derzeit belastet unter anderem ein Sicherheitsabkommen, das China mit dem Inselstaat der Salomonen im Südpazifik geschlossen hat, die Beziehungen zwischen Peking und Washington. Aber auch Australien sieht sich durch das Abkommen bedroht und befürchtet, China könne seine Einflusszone in der Region weiter ausdehnen. Peking hingegen spricht von „einer normalen Zusammenarbeit zwischen zwei souveränen und unabhängigen Ländern“. (sh)