1. Startseite
  2. Welt
  3. Politik

Nach Chinas Friedens-Coup: Schwindet der Einfluss der USA im Nahen Osten?

Erstellt:

Von: Frank Sieren

Kommentare

In Teheran liest ein Mann einen Zeitungstext über Chinas Friedensdeal mit Iran und Saudi-Arabien.
In Teheran liest ein Mann einen Zeitungstext über Chinas Friedens-Deal mit Iran und Saudi-Arabien. © Atta Kenare/AFP

Pekings Friedensinitiative im Nahen Osten wird die Machtstrukturen in der Region dauerhaft verändern. China wird die USA nicht ersetzen — aber Peking ist jetzt eine Alternative.

Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 24. März 2023.

Peking – Erstmals nach jahrelangem Konflikt haben die Außenminister von Saudi-Arabien und Iran am Donnerstag (23. März) wieder miteinander telefoniert. Zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan tauschten Hussein Amirabdollahian und Faisal bin Farhan Al Saud Glückwünsche aus, wie die Staatsmedien beider Länder berichteten. In dem Gespräch hätten sie auch über ein geplantes Ministertreffen gesprochen. Dass die beiden Staaten nach sieben Jahren diplomatischen Stillstands wieder bilaterale Beziehungen aufnehmen, ist ein Verhandlungserfolg Pekings — und das verändert die Machtbalance im Mittleren Osten.

Die USA spielen zwar weiterhin eine zentrale Rolle. Und auch Russland hat enge Verbindungen zu den Machthabern der Region. Doch nun spielt auch Peking mit. Der iranische Militärberater Generalmajor Yahya Rahim Safavi hofft gar, die „post-amerikanische Ära am Persischen Golf hat begonnen“. Mit dieser Einschätzung geht er vermutlich zu weit. Treffender beschreibt die Entwicklungen der US-Fernsehsender CNN: „China hat die Prämisse der amerikanischen Dominanz im Mittleren Osten zerschlagen.“

Das US-Magazin Wall Street Journal spricht von „Chinas Modell einer neuen Diplomatie.“ „Eine auf US-Regeln basierte Ordnung ist nun nicht mehr die einzige verantwortungsvolle Wahl, in der Sicherheitspolitik voranzukommen“, fasst Jon Alterman, Experte des Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington, den Vorgang zusammen. Der Deal zeige, dass Saudi-Arabien „nicht mehr darauf vertraut, dass Washington ihnen den Rücken freihält“, betont auch Mark Dubowitz, der Geschäftsführer der Washingtoner Foundation for Defense of Democracies (FDD). Deshalb hätten die Saudis „China als den neuen ‚Haushofmeister‘ der nahöstlichen Machtpolitik‘ etabliert“.

Newsletter von Table.Media

Erhalten Sie 30 Tage kostenlos Zugang zu weiteren exklusiven Informationen der Table.Media Professional Briefings – das Entscheidende für die Entscheidenden in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und NGOs. 

Rückschlag für Biden: Bei UN-Resolution gegen Putins Ukraine-Krieg enthielt sich Riad

Gleichzeitig jedoch lässt Riad aber die Tür zum wichtigsten Waffenlieferanten offen: Nur wenige Stunden vor der Bekanntgabe des Saudi-Iran-Abkommens hatte Saudi-Arabien die USA gar als einen Broker für die Beziehungen mit Israel ins Spiel gebracht. Der saudische Vorschlag beinhaltete Sicherheitsgarantien der Vereinigten Staaten, Unterstützung bei der Entwicklung eines zivilen Atomprogramms und geringere Beschränkungen für US-Waffenverkäufe an Riad.

Allerdings nicht mehr um jeden Preis, wie US-Präsident Joe Biden bereits feststellen musste. Nach seinem Treffen mit Kronprinz Mohammed bin Salman Mitte 2022 hat die von Saudi-Arabien dominierte OPEC+ die Ölproduktion gedrosselt. Biden hingegen wollte, dass die OPEC mehr produziert und damit die Ölpreise senkt. So wollte er die amerikanische Wirtschaft entlasten. Stattdessen spielte die Entwicklung Russlands Präsidenten Wladimir Putin in die Karten.

Bidens zweiter Rückschlag: Bei der jüngsten UN-Resolution gegen Putins Ukraine-Krieg enthielt sich Riad, ebenso wie China und Indien. Die Saudis hätten nicht vergessen, dass sich die US-Amerikaner nach den unbemannten Luftangriffen auf Saudi-Arabien 2019 gegen Öltanker und Ölanlagen „als zögerlich erwiesen“, erklärt Eyal Zisser, Vizerektor der Universität Tel Aviv. Zudem strich das US-Außenministerium 2021 die vom Iran unterstützten jemenitischen Huthi von der US-amerikanischen Liste der ausländischen terroristischen Organisationen. Vor dem Waffenstillstand im April 2022 hatten diese jahrelang Raketen und Selbstmorddrohnen auf Saudi-Arabien abgefeuert.

China will angeblich neutralere Rolle in der Region spielen

Doch Peking hat schon lange vor dieser Entwicklung beschlossen, eine neutralere Rolle in der Region zu spielen. Peking behauptet — warum auch immer — China hätte dort keine politischen Interessen. Dabei kommen 40 Prozent der Gas- und Ölimporte aus der Region. Die Volksrepublik war sehr eng mit Iran verbunden. Die USA sahen Iran seit dem Überfall auf die US-Botschaft in Teheran und der folgenden 444 Tage dauernden Geiselnahme von mehr als 50 Diplomaten im Jahr 1979 als feindlich.

Diese Konfrontation zu entspannen, gelang den Chinesen bereits 2015, als sie mit den Europäern den damaligen US-Präsidenten Barack Obama überzeugten, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Damals spielten der deutsche Außenminister und jetzige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein damaliger chinesischer Kollege Wang Yi eine zentrale Rolle. Diplomatie-Zar Wang Yi hat nun auch die Einigung zwischen Saudi-Arabien und Iran ausgehandelt.

Nach dem europäisch-chinesischen Gemeinschaftserfolg machten sich Chinas Diplomaten dann allein auf den Weg. Ein wichtiger Schritt: die strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien im Jahr 2016. Im Dezember 2022 entschieden China und die arabischen Staaten, in der strategisch wichtigen Satellitennavigation zusammenzuarbeiten, als Grundlage für eine spätere Kooperation im Raumfahrtbereich. Stand Januar 2023 haben 20 arabische Länder Kooperationsvereinbarungen im Rahmen der „Belt and Road“-Initiative (BRI) unterzeichnet. Ende 2022 wurden beim Besuch Xi Jinpings die Beziehungen zwischen Riad und Peking zu einer „Comprehensive Strategic Cooperative Partnership“ aufgewertet.

Das Vertrauen in China ist groß

Das Vertrauen in der Region war also inzwischen so groß, dass China sich nicht als Mediator zwischen Iran und Saudi-Arabien anbieten musste — sondern die Saudis im Dezember 2022 Xi selbst um Hilfe baten. Chinas Staatspräsident lud daraufhin Irans Präsident Ebrahim Raisi im Februar nach Peking ein und vereinbarte auch mit ihm engere wirtschaftliche Beziehungen.

Nach fünf Tagen intensiver Verhandlungen kam dann am 10. März der Durchbruch. Chinesische Beobachter sehen in der Annäherung an die Saudis durchaus auch einen Hinweis an Putin, dass Peking nicht auf sein Öl und Gas angewiesen ist. Saudi-Arabien ist Chinas größter Öllieferant und Putins größter Wettbewerber. Nun steigen auch die Chancen für Frieden im Jemen, wo Riad und Teheran seit acht Jahren einen Proxy-Krieg mit bereits mehr als 400.000 Todesopfern führen: Teheran unterstützt die Huthi-Rebellen, Riad die Regierung. Die Biden-Regierung begrüßte die Einigung zähneknirschend, zog allerdings gleich eine neue rote Linie. Es sei okay, solange ein Deal nicht mit „militärischer und technologischer Kooperation“ zu tun habe, sagte ein hochrangiger US-Offizieller dem Portal Axios.

Die Frage lautet jetzt, ob Saudi-Arabien solche US-Vorgaben noch akzeptiert. Ein Machttest könnte die Aufnahme der Saudis in die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) werden, was bereits diskutiert wird. Ihr gehören neben China auch Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan an. Bisher hatte sich der Iran quergestellt. Das könnte sich jetzt ändern.

Auch interessant

Kommentare