Finanzminister Lindner will auch 2023 die Schuldenbremse einhalten, trotz drittem Entlastungspaket. Im Bundestag droht Streit. Der News-Ticker zur Haushalts-Debatte.
Dieser News-Ticker zur Bundestagsdebatte über den Haushalt 2023 wird fortlaufend aktualisiert.
Update vom 6. September, 16.20 Uhr: Beim ersten Teil der Haushaltsdebatte im Bundestag am Dienstag hat Christian Lindner (FDP) gefehlt. Am Abend meldete sich der Finanzminister dann aber doch noch zu Wort - mit einer zumindest kleinen Überraschung in Sachen Schuldenbremse. Ein erneutes Aussetzen schloss Lindner zumindest nicht kategorisch aus.
„Wenn die Lage es erforderlich macht und die Verfassung es erlaubt, dann behalte ich mir diese Ultima Ratio vor“, sagte der FDP-Chef der Süddeutschen Zeitung. Dies werde er aber nur dann „mitteilen und begründen, wenn es unvermeidlich wäre“. Für ihn wäre es jedoch kein hinreichender Grund, die Schuldenbremse auszusetzen, „weil man kein Geld für Vorhaben eines Koalitionsvertrags hat“, betonte Lindner weiter. Dies möge dann „politisch eine Katastrophe sein, im Sinne der Schuldenbremse ist es keine“
Update vom 6. September, 12.15 Uhr: Nach der Union haben auch die beiden weiteren Oppositionsfraktionen AfD und Linke massive Kritik am Haushaltsplan der Ampel-Koalition für 2023 geübt.
„Die dümmste Energiepolitik der Welt führt in Deutschland zu den höchsten Stromkosten der Welt“, kritisierte der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer mit Blick auf den Ausstieg aus der Atom- und der Kohleenergie. Diese Entwicklung werde zu „Masseninsolvenzen und Verarmung führen“. Er forderte indirekt ein Aus für die Russland-Sanktionen. Die Linken-Finanzexpertin Gesine Lötzsch forderte: „Der Haushalt muss sozialer werden.“ Die steigende Inflation treibe „viele Menschen in dramatische Probleme“, ohne dass die Regierung wirksame Hilfe leiste. Für die Bürgerinnen und Bürger habe die Regierung nur „milde Gaben“ im Angebot, kleine und mittlere Unternehmen lasse die Ampel im Stich.
Lindner fehlt bei brisanter Haushalts-Debatte – CDU wütet: Schäubles Notgroschen „fast verbraten“
Update vom 6. September, 10.55 Uhr: Die Haushalts-Debatte im Bundestag ist eröffnet – allerdings stellte nicht Finanzminister Christian Lindner, sondern sein Parlamentarischer Staatssekretär und FDP-Parteifreund Florian Toncar die Pläne vor. Lindner ist aufgrund eines privaten Trauerfalls verhindert. Toncar verteidigte die Budgetplanungen für das Jahr 2023 erwartungsgemäß. Auch koalitionsinternen Kritikern trat der Liberale entgegen: Die Schuldenbremse sei nicht etwa ein „Fetisch“ sagte er, sondern ein wichtiges Ziel.
Der CDU-Politiker Mathias Middelberg als erster Oppositionsredner zeigte Verständnis für Lindners Absenz und begrüßte auch die geplante Einhaltung der Schuldenbremse: Dies sei eines der besten Mittel gegen die Inflation. Middelberg warf der Ampel-Koalition allerdings vor, die Schuldenbremse nur einzuhalten, weil die Bundesregierung binnen eines Jahres eine von Vorgänger-Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgebaute Rücklage für Migrationskosten fast vollständig „verbrate“ (siehe auch voriges Update). Die Ampel habe zugleich „null Vorsorge“ für kommende Lasten etwa bei der Versorgung alter Menschen getroffen.
Middelberg ging auch hart mit Entlastungspaket und Gasumlage ins Gericht: „Die Gas-Verbraucher zahlen die Gas-Umlage jetzt obendrauf und weil sich der Gaspreis jetzt schon verdrei- oder vierfacht hat“, sei klar, „dass selbst bei abgesunkener Mehrwertsteuer“ der Mehrwertsteuerbetrag steige. „Das kann doch jeder Schwachkopf rechnen!“, rief der Unionsfraktionsvize. Das Entlastungspaket wiederum komme „viel zu spät“. Auch der Stromstresstest von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe sein Ziel verfehlt: „Der hat nur getestet, ob die Netzstabilität gesichert ist. Er hätte den Test machen müssen im Hinblick, wie wirkt es sich wirtschaftlich aus, beim Gaspreis, beim Stromsparen“, forderte Middelberg.
Haushalts-Debatte im Bundestag: Das steckt in Lindners Trickkiste
Update vom 6. September, 9.10 Uhr: Ab heute debattiert der Bundestag vier Tage lang über Christian Lindners Entwurf für den Bundeshaushalt 2023. Die wichtigste Mission des FDP-Politikers: Die Schuldenbremse soll wieder eingehalten werden. Dazu greifen Lindner und sein oberster Rechner, Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer, in die Trickkiste - was der Opposition sichtlich aufstößt.
Wie es funktionieren soll: Die Regelung im Grundgesetz schreibt dem Bund keine Null-Schulden-Politik vor, sondern erlaubt abhängig von der Wirtschaftslage Kredite in geringem Umfang. Das schöpft Lindner mit 9,9 Milliarden Euro voll aus. Allerdings werden auch 7,3 Milliarden Euro Darlehen für die gesetzliche Krankenversicherung und den Internationalen Währungsfonds (IWF) über neue Schulden finanziert, die der Finanzminister nicht auf die Schuldenbremse anrechnen muss.
Damit das ausreicht, greift Lindner zusätzlich in eine alte Rücklage, die der Bund für Flüchtlingskosten angespart hatte. 40,5 Milliarden Euro sollen 2023 daraus entnommen werden - viel mehr als geplant, was dazu führt, dass für die Folgejahre nur noch etwas mehr als sieben Milliarden Euro übrig sind. Der Bundesrechnungshof wirft Lindner auch in anderem Kontext vor, das Bild zu verzerren: Milliardenschwere Ausgaben für Klima und Transformation, Digitales und die Bundeswehr kämen im Etat gar nicht vor, weil sie über Sondervermögen liefen. Die weiteren Eckdaten im Überblick:
Das Etatvolumen: Lindner plant für das kommende Jahr Ausgaben von 445,2 Milliarden Euro. Das sind rund 100 Milliarden weniger als 2021.
Die Nettokreditaufnahme: Nach Lindners Rechnung beträgt sie insgesamt 17,2 Milliarden Euro. Kritiker sehen wesentlich höhere Zahlen. Der Bundesrechnungshof sieht samt Sondervermögen und Rücklagen 78 Milliarden Euro Miese.
Investitionen: Die Ausgaben für Investitionen bleiben mit mehr als 50 Milliarden auf vergleichsweise hohem Niveau. Größter Block ist der Verkehr. Mehr Mittel eingeplant sind für das Elterngeld, sozialen Wohnungsbau, Bafög, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe.
Ampel vor harter Haushalts-Debatte: Nicht nur das Entlastungspaket schmerzt – „Absolut falsche Signale“
Vorbericht vom 5. September: Berlin – Wie viel Geld kann und will Deutschland im kommenden Jahr ausgeben - und für was? Der Entwurf für den Bundeshaushalt 2023 ruft schon vor der Generaldebatte im Bundestag Kritiker auf den Plan. Nicht nur wegen des Haushalt-Großkampfplatzes Entlastungspaket. Denn die Ausgaben zum Beispiel für humanitäre Hilfe sollen offenbar sinken.
Dabei hat der Ukraine-Krieg etwa auf die weltweite Ernährungslage verheerende Auswirkungen. Dass die Finanzplanung für die kommenden vier Jahre vorsehe, den Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) um fast 16 Prozent zu kürzen, sei daher ein „absolut falsches Signal“, sagte Welthungerhilfe-Generalsekretär Mathias Mogge laut einer Pressemitteilung.
Die Kürzung sei „ein nie dagewesener Vorgang“, kritisierte auch Michael Brand, Sprecher der Unionsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe laut dem Portal web.de. Es zitiert aus einem Gesetzentwurf in einer Vorabfassung vom 5. August, dass für humanitäre Hilfe 2023 noch zwei Milliarden Euro vorgesehen sind, was ein Minus von rund 500 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr bedeute. Zwar betonte Frank Schwabe, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, laut web.de, dass Deutschland in den vergangenen Jahren stetig mehr für humanitäre Hilfe ausgegeben habe. Aber auch er sprach von einem „falschen Signal“.
Bundeshaushalt für 2023: Generaldebatte am 6. September im Bundestag
Im Etatentwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist laut dem Bundesrechnungshof für 2023 nur eine Neuverschuldung von 17,2 Milliarden Euro aufgeführt. Der Bundestag befasst sich am Dienstag (6. September), in seiner ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause, mit dem Bundeshaushalt 2023. Lindner selbst wird übrigens nicht teilnehmen, Grund ist ein Trauerfall in seiner Familie.
Entlastungspaket Nummer drei: Kritik aus Opposition und Wirtschaft
Neuverschuldung für Deutschland? Lindner pocht auf Schuldenbremse
Die Maßnahmen „führen zu deutlichen Mehrausgaben im Bundeshaushalt“, stellen die Ampel-Parteien aus SPD, Grünen und FDP in ihrem Beschlusspapier fest. Lindner will aber weiter ohne zusätzliche Neuverschuldung auskommen. Der Bundeshaushalt 2023 werde wie geplant die Regeln der Schuldenbremse respektieren, betonte er bei der Vorstellung der Maßnahmen in Berlin. (dpa/AFP/frs)
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