- VonMarcus Giebelschließen
In diesem Winter mangelt es Deutschland womöglich an Gas, um zu heizen. Um die Folgen abzumildern, werden allerorten Vorsorgemaßnahmen getroffen.
München - Wladimir Putin könnte die Deutschen im kommenden Winter zittern lassen. Und so wirklich würde das nach aktuellem Stand wohl hierzulande niemanden wundern, sondern als Reaktion auf die Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs verstanden werden. Trotz einer Umverteilung der Gasimporte ist Deutschland bei dem Rohstoff noch immer viel zu abhängig von Russland, um einen möglichen Lieferstopp, der gerade nach den anstehenden Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 im Raum steht, abfangen zu können.
Deshalb wird - anders als in all den Corona-Wellen - auf den ersten Blick zumindest vorausschauend agiert. Sollte die Bundesregierung wegen akuten Gasmangels die dritte und letzte Stufe des Notfallplans Gas ausrufen, würden private Haushalte und kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser oder Polizei besonders geschützt, gerade die Wirtschaft müsste jedoch kürzer treten.
Deutschland vor einem Gasmangel? Städte und Kommunen setzen bereits Sparmaßnahmen um
Laut Markus Jeger, Vorstand des Mittelstandsverbandes, seien die Unternehmen bereits in Sorge, weil sie nicht wüssten, was auf sie zukomme. „Ein Gasmangel wird gravierende Folgen haben“, betont er in der Bild am Sonntag: „Die wenigsten kleinen und mittleren Betriebe haben die finanziellen Mittel, um so eine Situation durchzustehen.“
Während Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten Privathaushalten eine Verdoppelung der Gasrechnung binnen eines Jahres voraussagt, rät Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, in der Boulevardzeitung: „Es wird kein Weg daran vorbeigehen, bereits jetzt Sparmaßnahmen umzusetzen.“
Denn Städte und Gemeinden seien „mit die größten Immobilienbesitzer und betreiben eine Vielzahl von besonders energieintensiven Einrichtungen, wie Schwimmbäder, Sporthallen, Verwaltungsgebäude, Kindergärten und Schulen“. Landsberg bringt „Wärmeinseln und Wärmeräume“ ins Gespräch, „wo sich insbesondere ältere Menschen auch bei einem sehr kalten Winter aufhalten können“.
Deutschland bereitet sich auf Gasmangel vor: Mehrzweckhallen könnten zu Wärmeinseln werden
Diese Idee wird in einigen Städten bereits umgesetzt, wie das Blatt weiter berichtet. So soll in Ludwigshafen eine Mehrzweckhalle, die auch als Impfzentrum genutzt wurde, zur Aufwärmmöglichkeit im Winter umfunktioniert werden. Auch in weiteren rheinland-pfälzischen Städten wie Neustadt, Frankenthal oder Landau werde mit Wärmeinseln geplant.
Zudem sollten in der Nacht Beleuchtungen und auch Ampeln abgeschaltet werden. In Düsseldorf sei der Plan, im Herbst und Winter grundsätzlich weniger zu heizen. Rendsburg in Schleswig-Holstein sagt seine für den Weihnachtsmarkt geplante Eisfläche ab, um Energie zu sparen.
Deutschland und der mögliche Gasmangel: Maßnahmen betreffen viele Schwimmbäder
München hat in den Freibädern und den Außenbecken der Hallenbäder die Mindesttemperatur abgesenkt. Nürnberg wird von Mitte Juli bis Ende September drei von vier Hallenbäder schließen, Augsburg verzichtet weitestgehend auf Fassadenbeleuchtung und schaltet viele Brunnen ab.
In Regensburg wurden in Schwimmbädern die Spül- und Duschintervalle reduziert, die Außenbecken werden laut einer Sprecherin nur noch durch die Sonne beheizt. Bamberg hat Ampeln und Laternen auf LED-Technik umgerüstet.
All diese Maßnahmen sollen dabei helfen, die Auswirkungen eines möglichen Gaslieferstopps abzumildern. Und dem immer häufiger skizzierten Schreckensszenario eines Bibber-Winters zu begegnen.
Bundesnetzagentur zur Gasversorgung: „So viel wie möglich einsparen“
Die Bundesnetzagentur nennt die Versorgungslage mit Stand von Freitagmittag „angespannt“ und ergänzt: „Eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden.“ Derzeit sei die Versorgungssicherheit jedoch „weiter gewährleistet“.
Zudem informiert die dem Bundeswirtschaftsministerium angehörende Behörde: „Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen bei 63,2 Prozent.“ Für einen „Speicherstand von 90 Prozent bis November“ seien jedoch ziemlich sicher „zusätzliche Maßnahmen“ nötig. Daher unterstützt die Bundesnetzagentur „ausdrücklich die Aufforderung, so viel Gas wie möglich einzusparen“. Ein Hinweis an jeden einzelnen Bürger im Land. Es ist eine weitere Gelegenheit, Solidarität zu beweisen. (mg)
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