Trotz Terror: Internationales Fußballturnier im Irak sorgt für ausverkaufte Stadien

Nach Jahrzehnten der Gewalt findet im Irak wieder eine Großveranstaltung statt: Der Gulf Cup ist das Fußballturnier der Golfstaaten. Das Land hat an Stabilität gewonnen, einige IS-Zellen sind aber noch aktiv.
Basra – Die Fußball-WM 2022 sorgte hierzulande für viel Kritik. Manch europäischer Fan echauffierte sich aber nicht nur über Menschenrechtsfragen und Korruption. Einige sprachen dem Nahen und Mittleren Osten in ihrem Ärger über die Winter-WM gar die Fußballbegeisterung ab. Dass das Quatsch ist, zeigt derzeit der Gulf Cup. Erstmals seit 44 Jahren wird das Fußballturnier wieder im Irak ausgetragen – in ausverkauften Stadien. Lange war das wegen der unsicheren politischen Lage völlig undenkbar.
Ex-Irak-Trainer Sidka: „Der Gulf Cup ist wie eine Weltmeisterschaft“
Zwischen 1990 und 2004 war der Irak aufgrund der Invasion in Kuwait unter Saddam Hussein von vielen internationalen Fußballwettbewerben ausgeschlossen, ähnlich wie Russland nun nach dem Ukraine-Krieg. Danach durfte die Nationalmannschaft nur selten zu Hause spielen. „Das wäre zu gefährlich gewesen“, sagt der deutsche Trainer Wolfgang Sidka. Er betreute das irakische Team von 2010 bis 2011.
In der Regel musste der Irak seine Heimspiele in dieser Zeit in Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten austragen. Für Sidka ein „massiver Nachteil“, mit Blick auf fehlende Unterstützung heimischer Fans. „Wenn wir zu Hause spielen durften, dann ausschließlich im Nordirak, im kurdischen Teil“, sagt Sidka, der während seiner Amtszeit im kurdischen Erbil gelebt hat.

Gulf Cup 2023 (6. bis 19. Januar)
Teilnehmer: Bahrain, Irak, Jemen, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, VAE |
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Rekordsieger: Kuwait (10) |
Spielort: Basra |
Acht Länder gehen beim Gulf Cup in zwei Gruppen an den Start. „Für sie ist das Turnier wie eine Weltmeisterschaft“, sagt der 68-Jährige, der auch in Bahrain und Katar gearbeitet hat. „Jedes Land ist irre fußballverrückt.“ Das sah man nun auch in den ersten Spielen, die meisten Partien waren ausverkauft. Am Montag gewann der Irak sein zweites Gruppenspiel mit 2:0 gegen WM-Teilnehmer Saudi-Arabien. Zum Auftakt am Freitag gab es ein torloses Unentschieden gegen den Oman. Zuvor zelebrierte der Gastgeber eine 30-minütige Eröffnungszeremonie mit visuellen 3D-Effekten, die etwa einen schwebenden Palast zeigten.
Gulf Cup als Chance: „Damit kann der Irak zeigen, dass er an Stabilität gewonnen hat“
Die Austragung des Gulf Cup gilt als wichtiges geopolitisches Zeichen für die irakische Regierung. „Nach Jahrzehnten der Gewalt und der negativen Schlagzeilen ist es die erste international beachtete Großveranstaltung, die im Irak stattfindet“, sagt Lucas Lamberty, Leiter des Irak-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bagdad zu IPPEN.MEDIA. „Damit kann der Irak – bei all den Herausforderungen, die zweifelsohne bestehen – zeigen, dass das Land an Stabilität gewonnen hat.“
So sollen nach außen Sicherheit und Gemeinschaft demonstriert werden. Die letzten Jahre waren vor allem von Terror und einer sinkenden Wirtschaft geprägt. Mittlerweile habe sich die Sicherheitslage allerdings verbessert, meint Lamberty. „Der Irak kehrt langsam zur Normalität zurück und die neue Regierung von Ministerpräsident Mohammed Shia al-Sudani hat nun die Chance, die Entwicklung des Landes in den nächsten Jahren maßgeblich voranzutreiben.“
Ein internationales Turnier im Irak sei ein „historischer Moment“, sagte Ministerpräsident al-Sudani und lobte die „Brüderlichkeit“ mit den anderen Golfstaaten. Solche Aussagen können als weitere Orientierung des Irak hin zu Ländern wie Saudi-Arabien verstanden werden. „Das Verhältnis des Irak zu den Golfstaaten ist grundsätzlich als gut zu bewerten“, sagt Lamberty. „Es bestehen vielfache Verbindungen im politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bereich.“

Gulf Cup im Irak: Der IS hat das Land geprägt
Seit Jahren versucht der Irak, das Fußballturnier auszutragen. „Schon zu meiner Zeit hieß es, dass im neuen Stadion von Basra der Gulf Cup stattfinden soll“, erzählt Ex-Coach Sidka am Telefon. „Das scheiterte aufgrund der unsicheren politischen Lage.“ Das von der Ölindustrie geprägte Basra liegt im Südirak. Hier ist die Situation vergleichsweise entspannt. Im Norden, wo viele Kurden leben, häuften sich zuletzt jedoch Terroranschläge der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS). Angriffe gab es auch im zentral gelegenen Bagdad, kurz vor Weihnachten starben acht Menschen bei einem Anschlag in der Nähe der Hauptstadt.
Die IS-Miliz hatte ab 2014 in weiten Teilen Syriens und des Irak ein sogenanntes Kalifat ausgerufen, in dem die Dschihadisten brutal herrschten. Im Irak wurde die Miliz drei Jahre später durch einheimische Kräfte unterstützt durch eine von den USA angeführte internationale Koalition besiegt. Rund 2500 US-Soldaten sind weiter im Land im Einsatz, um den Kampf gegen die Dschihadisten zu unterstützen. Trotzdem sind in mehreren Gegenden des Irak IS-Zellen aktiv. Irak-Experte Lamberty meint: „Der IS verfügt nach wie vor über Zellen im Land, die aus dem Untergrund heraus Anschläge verüben.“

Lamberty sieht noch weitere Probleme in dem Land, für das Deutschland der zweitgrößte Geber an Entwicklungshilfe ist: „Die junge Demokratie im Irak ist fragil und durch eingeschränkte Rechtsstaatlichkeit und grassierende Korruption gezeichnet. Es fehlt an wirtschaftlichen Perspektiven für eine rasant wachsende, junge Bevölkerung, die sich Prognosen zufolge bis 2050 von heute 40 Millionen Iraker auf 80 Millionen verdoppeln könnte.“ Die Auswirkungen des Klimawandels verschärften die Situation. Bis zum 19. Januar will das 43-Millionen-Einwohner-Land dem Negativen entfliehen, wie der Gouverneur von Basra, Asaad Al Eidani, lokalen Medien sagte: „Der Gulf Cup ist eine Botschaft an die Welt.“ (as)