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Mit heißer Nadel hat Angela Merkels Regierung an Klima-Plänen gestrickt - das Wirtschaftsministerium kommt da offenbar nicht mit. Peter Altmaier muss ein heikles Versäumnis einräumen.
Berlin - Das Thema Klimaschutz dominiert den Wahlkampf zur Bundestagswahl* - meist zu Lasten der Grünen. Nun muss aber Angela Merkels Regierung ein gravierendes Versäumnis auf dem Feld der Energieversorgung einräumen. Das Wirtschaftsministerium* habe unterschätzt, wie stark der Strombedarf in Deutschland im Zuge der Energiewende steigen dürfte, erklärte Ressortchef Peter Altmaier (CDU) in einem am Freitag veröffentlichten Interview.
Klimaschutz und die Folgen - Altmaier räumt ein: Ministerium hat Strombedarf unterschätzt
„Wir müssen durch die verschärften Klimaziele Deutschlands und der EU von einem deutlich höheren Strombedarf ausgehen, als es bisher zugrunde gelegt wurde. Dazu wird mein Haus neue Berechnungen vorlegen“, sagte Altmaier der Wirtschaftswoche in einem Doppelinterview mit der Chefin des Energieverbandes BDEW, Kerstin Andreae.
„Das heißt dann weiter, dass wir mehr Energie produzieren müssen, und zwar aus allen verfügbaren erneuerbaren Quellen: Windkraft und Fotovoltaik“, sagte Altmaier. „Ich werde konkrete Vorschläge vorlegen, wie wir die Offshore-Windkraft auf hoher See und die übrigen erneuerbaren Energien viel stärker ausbauen können, als bisher geplant.“ Dazu müssten die Verfahren schneller und mit anderen Regeln im Naturschutz ablaufen, sagte der Minister. Nötig seien viel mehr Genehmigungen für die Anlagen. „Die sollten künftig im Normalfall binnen eines Jahres vollzogen sein.“
„Damit das gelingt, muss Naturschutzrecht in Deutschland endlich einheitlich ausgelegt werden“, fügte Altmaier hinzu. Hier sei Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in der Bringschuld.
Altmaier stichelt gegen Klimapläne der Grünen - und erhält Gegenwind von Energieverbands-Chefin
Altmaier stichelte zugleich erneut in Richtung der Grünen. „Dadurch dass Frau Baerbock die 16 Cent willkürlich in die Debatte geworfen hat, ohne ein schlüssiges Gesamtmodell vorzulegen, schadet sie der Debatte über Klimaschutz und seiner Akzeptanz. Im Entwurf des Grünen-Wahlprogramms gibt es leider mehr Allgemeinplätze als Brücken in Venedig“, spottete der CDU-Politiker.
Die Grünen fordern, den Anstieg des CO2-Preises vorzuziehen und ihn bereits ab 2023 auf 60 Euro pro Tonne zu erhöhen. Sprit würde sich dann bereits bis 2023 um etwa 16 Cent pro Liter verteuern - Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock* hatte mit Aussagen darüber viel Kritik einstecken müssen. Beim Grünen-Parteitag am Wochenende gibt es Anträge zur Verschärfung der Wahlkampf-Forderung*. Die Grünen schlagen in ihrem Programm zugleich vor, staatliche Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger zurückzugeben, um soziale Verwerfungen zu vermeiden. Dieser Aspekt wird häufig bei den Vorwürfen an die Partei nicht beleuchtet. Ein Beispiel lieferte am Donnerstagabend auch die Linke-Politikerin Amira Mohamed Ali im ZDF-Talk „Markus Lanz“*.
Altmaier selbst bekam noch in dem Doppelinterview der Wirtschaftswoche Kontra. Energieverbands-Chefin Andreae nannte die Forderung nach einer Erhöhung des Benzinpreises um 16 Cent „vor allem richtig, wenn man sich - wie die große Koalition - dazu bekannt hat, dass das Ausstoßen von CO2 mit einem steigenden Preis belegt werden soll. Wer hier A sagt, muss auch B wie teureres Benzin sagen.“ Die große Koalition aus Union und SPD hatte den CO2-Preis im Rahmen des Klimaschutzgesetzes selbst beschlossen. Seit Jahresbeginn gilt auf Öl und Gas ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne. Nach dem bisherigen Gesetz soll dieser Preis bis 2025 auf 55 Euro steigen.
Altmaier muss Strom-Fehler einräumen: Bedarf dürfte steigen - Windkraft nun im Fokus
Der Hintergrund von Altmaiers Aussagen zur Stromversorgung: Für „grünen Wasserstoff“ zum Einsatz etwa in der Stahlindustrie oder den Ausbau der Elektromobilität wird aus Sicht vieler Experten in den kommenden Jahren erheblich mehr Strom benötigt, der aus erneuerbaren Energien kommen soll. Bei der Energiewende kommt derzeit auch aus Sicht der Windbranche vor allem der Ausbau der Windkraft an Land nicht schnell genug voran.
Als Gründe gelten lange Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie viele Klagen vor Ort, vor allem aus Artenschutzgründen. Ein großes Thema ist der Ausbau der Windkraft auch im CSU-geführten Bayern. Die Grünen werfen den Konservativen ein Festhalten an destruktiven Regelungen vor*. (dpa/AFP/fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.