Bei Maybrit Illner geht es um Deutschlands Panzer-Lieferung in die Ukraine. Strack-Zimmermann will „militärische Logik“ und Stegner bleibt die Gelassenheit in Person.
Berlin – Es geht mit harten Bandagen los in dieser Talkrunde. Sie habe mit ihrer Kritik Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „beschädigt“, wirft Maybrit Illner der FDP-Abgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor. Die widerspricht nicht und wiederholt ihre Vorwürfe sogar. Deutschland habe mit der späten Panzerzusage „historisch versagt“. Illner schlussfolgert: „Dann steht ja einem Koalitionsbruch wenig im Wege. Dann könnten Sie jetzt Friedrich Merz folgen.“ Das geht der Kriegsexpertin zu weit. „Nein, also Friedrich Merz. Wir wollen es jetzt nicht übertreiben.“
Maybrit Illner: Diskussion um Panzer-Lieferung in die Ukraine
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner gibt ihr Recht. Die „Bürger auf der Straße“ würden sich „überhaupt nicht nach Friedrich Merz oder einem Söder im Kanzleramt sehnen“. Die Menschen seien sehr zufrieden, dass dort mit Scholz jemand sitzt, „der bei Fragen von Krieg und Frieden die Nerven behält“. War das Zögern des Kanzlers Erfolg oder Blamage, will Illner von Spiegel-Journalist Matthias Gebauer wissen. „Ein bisschen von beidem“, antwortet er. Man müsse eben Bilder produzieren. Scholz habe taktiert und gezögert und „diesen Stempel wird er nicht mehr los“.
Es sei auch erstaunlich, dass nur einen Tag nach der Entscheidung ein „Anstieg von Cyberangriffen zu verzeichnen gewesen“ sei, „die den russischen Hackern zugesprochen werden“. Welche Angriffe genau Gebauer meint, bleibt unklar. Am Nachmittag kamen zwar Berichte von der Enttarnung einer „Hive“-Hackergruppe, doch deren Server standen in Los Angeles. Auch Gebauer lobt die Gelassenheit des Kanzlers trotz des großen Drucks von allen Seiten: „Ein Gerhard Schröder hätte das keine zwei Stunden ausgehalten.“ Ex-US-General Ben Hodges, aus London per Video zugeschaltet, beklagt wenig überraschend, Scholz habe viel zu spät gehandelt. Hodges spricht gar von einer „vertanen Chance“.
Mit Maybrit Illner diskutierten diese Gäste:
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Bundestagsabgeordnete, FDP)
- Ralf Stegner (Bundestagsabgeordneter, SPD)
- Ben Hodges (ehem. Kommandeur der US-Truppen in Europa)
- Matthias Gebauer (Journalist, „Spiegel“)
- Jana Puglierin (Politologin)
- Franz Alt (Journalist)
Maybrit Illner: Journalist Alt sieht Weltkriegsgefahr – „noch nie so nah“
Stegner mahnt zur Besonnenheit. Er stört sich an der Verniedlichung der Debatte durch vermeintlich lustige Leoparden-Memes, Menschen in Leo-Kostümen, spöttische Sprüche und Hashtags wie „FreeTheLeopards“. „Als wenn wir da über die Befreiung von Zootieren sprechen“, empört er sich und ergänzt: „Wir reden über eine hochernste Angelegenheit.“ Franz Alt, mit 84 Jahren einer der Altmeister des deutschen Journalismus, gibt der Runde entscheidende Impulse. „Das Wort Frieden ist noch nicht gefallen nach bald 20 Minuten in unserer Sendung!“, stellt er betrübt fest. Das Motto sei immer „Frieden schaffen ohne Waffen“ gewesen.
Jetzt sei er zwar ebenfalls für Waffenlieferungen und das Motto der Zeit sei nun eben „Frieden schaffen mit Waffen“. Doch er gibt zu bedenken: „Wir reden zu viel über Waffen, Waffen, Waffen und zu wenig über Friedensverhandlungen und einen Friedensvertrag.“ Das sei immer und in jeder Zeit möglich, wie der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow bewiesen habe. Und der habe es mit einem „Kalten Krieger Ronald Reagan“ zu tun gehabt.
„Auch in scheinbar ausweglosen Situationen ist Frieden noch immer möglich“, so Alt. Wenn man immer „Mit Putin geht das nicht“ sage, dann komme es auch nicht zustande. „Wenn man das nicht tut, ist das unterlassene Hilfeleistung“, betont er und warnt eindringlich: „Wir sind noch nie so nah an einem Weltkrieg gewesen. Ein Weltuntergang muss man sagen.“ Ihm sei „ein Kanzler, der bei Waffenlieferungen zögert und zaudert, lieber als ein Draufgänger“.
Maybrit Illner: Journalist Alt hält Gespräche mit Putin für unausweichlich
„Ob die Panzer wirklich den Krieg schneller beenden“ sei eine Frage, die man stellen dürfe, wirft Stegner ein. Deutschland sei bereits „mit Abstand der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine“. Strack-Zimmermann unterbricht ihn mehrfach, doch Stegner bleibt beharrlich: „Manchmal habe ich den Eindruck, wir haben ganz viele neue Militärexperten in Deutschland.“ Alt wirft Stichworte wie „Kubakrise“, Kennedy und Chruschtschow in die Diskussion. Immer habe es heikle und bedrohliche Situationen gegeben, und immer habe man sich zusammengesetzt und geeinigt.
Der Journalist erinnert an zwei Altkanzler. Helmut Schmidt habe „mehrfach öffentlich gesagt: ‚Wir nehmen zu wenig Rücksicht auf die Sicherheitsinteressen von Putin und von Russland‘“. Und Helmut Kohl habe gemahnt, dass man mit Putin mehr reden müsse. „Die Sicherheitsinteressen Russlands sind für die Sicherheit Europas unglaublich wichtig. Wenn ich klarkommen will mit Putin, muss ich mich in ihn hineinversetzen. Anders geht es nicht“, so Alt.
Strack-Zimmermann hält dagegen. Der Bau der Nord Stream-Pipeline sei ein Affront gewesen. Auch wenn günstiges russisches Gas im Interesse Deutschlands war, so sei das Abkommen doch „zum Schaden der Ukraine“ gewesen. Illner bringt daraufhin einen bemerkenswerten Satz: „Nord Stream 2 hat nennenswert allem, was unsere Interessen sind, ja sehr geschadet.“ Was sie damit meint, kann die Runde nicht klären, weil Illner eine rund einminütige Fragestellung anhängt und die Aussage verpufft.
Maybrit Illner: FDP Stegner: „Keine Kleinigkeit, sich mit Amerika zu einigen“
SPD-Politiker Stegner lobt die Besonnenheit des Kanzlers. Es verbiete sich, über manche Überlegungen öffentlich zu reden. Dann könne man Putin auch gleich sagen, was man alles vorhat. „Die drei Tage hält die Öffentlichkeit aus“, unterstreicht er. Es sei schließlich „keine Kleinigkeit, sich mit Amerika zu einigen“, so Stegner.
Er wendet sich an Strack-Zimmermann: „Es geht auch nicht immer nur um die neueste Waffengattung. Wo soll das eigentlich hinführen?“ „Das ist eine militärische Logik“, kontert die Angesprochene, doch das ist Wasser auf Stegners Mühlen: „Immer nur militärische Logik. Davon haben wir zu viel. Krieg heißt Mord, Zerstörung, Vergewaltigung, Elend für die Leute.“ Franz Alt mahnt noch einmal: Die Sicherheitsinteressen Russlands würden zu wenig berücksichtigt. „Das können Sie doch nicht einfach vom Tisch wischen!“, äußert er sich. Illner lässt das Argument nicht gelten: „Tut ja keiner.“
Fazit des Talks bei Maybrit Illner:
Eine bemerkenswerte Runde. Ausgerechnet der älteste Gast, Franz Alt, gab die frischesten Impulse. Und Ralf Stegner erwies sich als ausgesprochen besonnen. Währenddessen wirkte Illner angeschlagen: falsche Zitate, falsche Vornamen (Marie-Luise statt Marie-Agnes). (Michael Görmann)