Aufruhr um Häftlings-Rekrutierungen: „Putins Koch“ äußert sich vielsagend – „Gefangene oder eure Kinder“

Russland rekrutiert im Ukraine-Krieg offenbar Häftlinge als Truppen-Verstärkung. Der Chef der Gruppe Wagner steht im Fokus – und äußert sich in bemerkenswerter Weise.
Moskau - Jewgeni Prigoschin, als „Putins Koch“ bekannt gewordener Geschäftsmann, hat den Einsatz von russischen Gefangenen im Ukraine-Krieg verteidigt. Russische Medien berichten über die Stellungnahme des Kreml-treuen Mannes, der offenbar in Gefängnissen die Rekrutierung von Soldaten vornimmt:
Wer nicht wolle, dass in dem Konflikt private militärische Firmen und Gefangene eingesetzt würden, der solle seine eigenen Kinder an die Front schicken, zitierten Medien Prigoschin – der auch als Finanzier der Söldnergruppe „Wagner“ gilt. „Entweder private militärische Firmen und Gefangene oder Eure Kinder - entscheidet selbst“, führte der 61-Jährige demnach aus.
Russland rekrutiert Häftlinge als Soldaten: Video zeigt angeblich Prigoschin
Der Kreml-nahe Oligarch Prigoschin reagiert damit auf die Veröffentlichung eines Videos, das ihn beim Anwerben von Gefangenen in einem Gefängnis zeigen soll. Die Aufnahme ist angeblich in einem Gefängnis der Stadt Joschkar-Ola, etwa 760 Kilometer östlich von Moskau entstanden. Kremlkritiker Alexej Nawalny und weitere Medien verbreiteten das Video, auf ein Prigoschin ähnlich sehender Mann den Gefangenen Begnadigung und Freiheit verspricht.
Ob es sich bei dem Mann wirklich um den Putin-Vertrauten Prigoschin handelt? Unklar. Dessen Unternehmen ließ gegenüber der Staatsagentur Ria Nowosti lediglich wissen, dass der Mann in dem Video Prigoschin „verdammt ähnlich“ sei - und zugleich ein guter Redner. Zudem kursieren Gerüchte, dass Prigoschin nach dem jüngsten Scheitern der russischen Truppen in Charkiw möglicherweise zum neuen „Retter“ auserkoren wurde.
Russland: Straftäter können in der Ukraine „Schuld gegenüber Heimat“ begleichen
Straftäter aus Russlands Gefängnissen könnten durch den Kampfeinsatz ihre „Schuld gegenüber der Heimat“ begleichen, erklärte Prigoschin selbst. In dem Land kursieren bereits seit Wochen Berichte, dass er Gefangene in Straflagern für den Konflikt in der Ukraine anwerbe - womöglich aufgrund eines Personalmangels an der Front.
Zudem betone der Redner in dem Clip, dass nicht jeder der verurteilten Straftäter den militärischen Einsatz im Nachbarland überleben werde. So seien von 40 in St. Petersburg angeworbenen Wiederholungstätern drei einen „Heldentod“ für die russische Armee gestorben.
Unternehmer Prigoschin gilt als Geldgeber der russischen Söldnergruppe „Wagner“, die international in Kriegsgebieten wie Syrien, Mali und Libyen aktiv ist. Was ebenfalls dafür spricht, dass es sich bei dem Mann im Video um den 61-Jährigen handelt: Umgeben von zahlreichen Häftlingen erklärt der Redner, er sei „ein Vertreter der Gruppe Wagner“. Zudem erzählt er den potenziellen Putin-Soldaten über den Auftrag im Nachbarland: „Der Krieg ist hart und gleicht nicht mal annähernd dem Tschetschenien-Krieg oder anderen Kriegen.“
Russland rekrutiert Häftlinge für Ukraine-Krieg: „Kein Alkohol, keine Frauen“
Über die Anforderungen an russische Rekruten gibt es folgende Informationen: Das Mindestalter der Häftlinge liegt bei 22 Jahren, Jüngere benötigten eine Einwilligung von Verwandten. Die Alters-Höchstgrenze für Rekruten betrage 50 Jahre, mit einer Ausnahme: Wer stark und kräftig sei, könne sich ebenfalls der Armee Russlands anschließen. Dazu gebe es ein "Vorstellungsgespräch" mit Übungen und Tests im Hinblick auf die psychische Verfassung.
Außerdem gibt es wohl strenge Richtlinien für die kampfbereiten Inhaftierten: Wer bei der Wagner-Truppe mitmachen will, darf dem Vernehmen nach im Krieg weder Alkohol trinken, noch Drogen nehmen. Auch Plünderungen sowie "sexuelle Kontakte mit einheimischen Frauen" seien verboten. Was genauso schwer wiegen würde, sei eine "Fahnenflucht": "Keiner zieht sich zurück und keiner ergibt sich", zitiert die Schweizer Zeitung Blick. Dann drohe schlimmstenfalls die Erschießung.
Ukraine-Krieg mit russischen Häftlingen? Kreml-Kritiker warnt vor Hinrichtungen
Dabei gibt es durchaus auch in Russland kritische Stimmen, was die Rekrutierung von verurteilten Straftätern betrifft: Ultranationalist Igor Strelkow befürwortete diesen Schritt zuletzt zwar grundsätzlich: Bereits im antiken Rom sowie in sowjetischen, britischen und französischen Truppen seien auf diese Weise Soldaten rekrutiert wurden. Der Russe merkte in einer Mitteilung bei Telegram jedoch an, dass die Verbrecher nicht ausreichend Gehorsam leisteten. Disziplin könne man bei Kriminellen mit drakonischen Strafen durchsetzen, so der Rebellenführer. Ohne drakonische Strafen würde die Gesetzeslosigkeit zunehmen und Russland die Kontrolle über Hunderte der Verbrecher verlieren.
So müsse auch mit massenhaftem Ungehorsam und bewaffneten Aufständen gerechnet werden, mahnt der Kreml-Kritiker. Wie Strelkow ausführt, müssten Kommandeure dann „außergerichtliche Hinrichtungen“ durchführen, was aber nur im Falle eines „Kriegsrechts“ möglich wäre. Dies würde aber auch „die Tötung derselben Kommandeure“ zur Folge haben, wodurch mehr Einheiten verloren gingen. Wochen später gibt es angeblich auch aus einem anderen Grund Unmut in Russland. Die Rede ist von einem „stillen Bürgerkrieg“.
Derweil schwelt angesichts der Eskalationsstufe die Sorge vor russischen Atomwaffen. Militärexperten zufolge droht ein Nuklear-Schlag derzeit eher nicht. Entwarnung geben aber nicht alle. (PF)