Deutschland als Vermittler?

Entsetzen über Kretschmers „Einfrieren“-Forderung im Ukraine-Krieg: „Anbiederung an Putin ist ekelerregend“

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert ein „Einfrieren“ des Ukraine-Kriegs und eine Vermittlerrolle für Deutschland. Die Politik schäumt.

Update vom 21. Juli, 10.06 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock weist die jüngsten Ukraine-Forderungen von Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer zurück. „Die Aussagen verwundern mich etwas, denn weder die deutsche Bundesregierung noch irgendein anderes Land in Europa wollten je wieder Krieg auf diesem Kontinent haben“, sagte die Grünen-Politikerin bei einer Veranstaltung des Redaktionsnetzwerks Deutschland in Hannover.

Der CDU-Bundesvize Kretschmer hatte zuvor geäußert, es müsse gemeinsam versucht werden, auf Kremlchef Wladimir Putin „einzuwirken“. Er zeigte sich zudem überzeugt, dass Deutschland weiter Rohstofflieferungen aus Russland brauche. Außerdem hatte er gefordert, Deutschland müsse dafür eintreten, dass dieser Krieg „eingefroren wird“. Baerbock sagte dazu: „Ich weiß nicht, was das bedeuten soll.“

Baerbock verwies darauf, dass Deutschland und zahlreiche andere Staaten immer wieder versucht hätten, mit Russland im Gespräch zu bleiben. Jedoch: „Der russische Präsident möchte in diesem Moment nicht reden, alles was er möchte, ist Leid und Krieg über die Ukraine zu bringen.“

Annalena Baerbock mit Michael Kretschmer in einer Pressekonferenz des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (Archivbild vom März 2022).

Ukraine-Krieg: Kretschmer bekommt Unterstützung von Wagenknecht

Update vom 20. Juli, 12.58 Uhr: Im Streit über die Folgen des Ukraine-Kriegs unterstützt Sahra Wagenknecht die Linie von Michael Kretschmer. Der sächsische Ministerpräsident hatte unter anderem erklärt, Deutschland brauche weiter russische Rohstoffe. „Kretschmer hat in diesem Punkt recht“, sagte die Linken-Politikerin nun der Nachrichtenagentur dpa.

„Der Wirtschaftskrieg ruiniert Deutschland, während er Putin kaum schadet und das Sterben in der Ukraine nicht beendet“, führte Wagenknecht aus. Auch Kretschmer hatte zuvor wirtschaftlich argumentiert. Der CDU-Politiker hatte aber eingeschränkt, sein Vorstoß bedeute nicht, dass die Ukraine auf Territorien verzichten solle - der Krieg Russlands sei ein Unrecht und Verbrechen.

Entsetzen über Kretschmers „Einfrieren“-Forderung im Ukraine-Krieg: „Anbiederung an Putin ist ekelerregend“

Update vom 20. Juli, 07.30 Uhr: Michael Kretschmers Vorschlag, dass der Krieg „eingefroren“ wird und dass Deutschland eine Vermittlerrolle einnehmen soll, stößt auf heftige Kritik. Andrij Melnyk, bis vor kurzem Ukraine-Botschafter in Deutschland, richtete via Twitter heftige Worte an Kretschmer: „Die Ukrainer treten dafür ein, dass Sie Ihren Kopf in ein Tiefkühlregal stecken, um Ihre heißen Russland-Fantasien einzufrieren. Ihre ewige Anbiederung an Kriegsverbrecher Putin ist ekelerregend“, schrieb er im Kurznachrichtendienst am Dienstagabend.

Weitere entrüstete Stimmen aus der Politik folgten. Berlins CDU-Landeschef Kai Wegner schrieb auf Twitter, alle würden sich Frieden und Sicherheit wünschen, doch auch Kretschmer müsse wissen, „dass dies mit dem Kriegstreiber Putin nicht möglich ist“. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wählte eine drastischere Wortwahl, sagte der Bild: „Gott sei Dank ist dieser Mann nicht verantwortlich für unsere Außenpolitik.“

Erstmeldung: Dresden - Russland darf den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen - das ist Konsens der Ampel-Koalition und auch der Union als größter Oppositionspartei. Trotz hoher Kosten auch für Deutschland, wie etwa die Gas-Krise, explodierende Lebensmittelpreise oder die hohe Inflation.

Michael Kretschmer (CDU) steht für seine Aussagen zum Ukraine-Krieg heftig in der Kritik.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer vertritt aber offenbar eine andere Meinung als seine Partei: Er schätzt den Ukraine-Krieg als zu hohe wirtschaftliche Gefahr für Deutschland und Europa ein. Man müsse erkennen, dass der Krieg die gesamte Welt und Europa in besonderem Maße ins Chaos stürze, sagte er am Dienstag (19. Juli). Wenn er so weitergehe, drohe man die wirtschaftliche Kraft zu verlieren, die nötig sei, um die Sicherheit zu organisieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ukraine-News: Kretschmer will Deutschland als Vermittler sehen

Der Konflikt, der zur Eskalation des Ukraine-Kriegs führte, müsse gelöst werden, forderte Kretschmer. Ihm zufolge muss Deutschland dabei eine Vermittlerrolle einnehmen. Dies sei begründet aus der Größe und Historie der Bundesrepublik. Man habe sich sehr im europäischen Verbund engagiert, müsse aber gemeinsam mit Frankreich, den USA und anderen Ländern eine zentrale Rolle bei der Lösung des Konfliktes spielen, so der Unionspolitiker. Kretschmer wörtlich: „Wir müssen dafür eintreten, dass dieser Krieg eingefroren wird.“ Das bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine auf Territorien verzichten soll, sagte Kretschmer. Der Krieg Russlands sei nach wie vor ein Unrecht und Verbrechen.

Nach den Worten von Kretschmer sollen Deutschland und Europa allerdings ihre Haltung zu diesem Krieg klären. Er verstehe die Wortmeldungen derzeit so, dass es erstens darum gehe, den Krieg zu gewinnen und zweitens nie wieder Rohstoffe aus Russland zu beziehen. Wenn das die Haltung sei, werde man nicht zu Waffenstillstands-Verhandlungen kommen, glaubt der CDU-Politiker.

Wladimir Putin: Die politische Karriere des russischen Staatschefs in Bildern

Wladimir Putin ist seit dem 24. Februar 2022 auch Kriegsherr – auch wenn in Russland nach offizieller Lesart nur von einer militärischen „Spezialoperation“ in der Ukraine gesprochen wird.
Wladimir Putin ist seit dem 24. Februar 2022 auch Kriegsherr – auch wenn in Russland nach offizieller Lesart nur von einer militärischen „Spezialoperation“ in der Ukraine gesprochen wird. © Mikhail Klimentyev/Imago
Wladimir Putin und Olaf Scholz am Tisch im Kreml.
So pflegt Putin inzwischen seine Gäste zu empfangen – vor allem die aus dem Westen. Am 15. Februar 2022 reiste Kanzler Olaf Scholz nach Moskau. Damals hatte der Ukraine-Krieg noch nicht begonnen. Putin ließ sich von Scholz aber nicht beeindrucken. © Kremlin Pool/Imago
Wladmir Putin mit Flottenchef Kurojedow
Von 1975 bis 1982 war der am 7. Oktober 1952 geborene Putin KGB-Offizier, von 1984 bis 1985 besuchte er die KGB-Hochschule in Moskau. Ab 1985 war er in der DDR tätig, hauptsächlich in Dresden. Danach ging es wieder zurück nach St. Petersburg. Vom 25. Juli 1998 bis August 1999 war Putin Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB. In dieser Eigenschaft traf er sich im November 1998 mit Flottenchef Wladmir Kurojedow (rechts). © Stringer/dpa
Wladimir Putin mit Boris Jelzin im Kreml.
Im Jahr 1999 übernahm Putin zum ersten Mal das Amt des Ministerpräsidenten – mit Option auf die Nachfolge von Präsident Boris Jelzin (links). Als Jelzin am 31. Dezember 1999 sein Amt niederlegte, übernahm Putin kommissarisch auch die Amtsgeschäfte des Präsidenten. Im Mai 2000 wurde Putin dann regulär zum Präsidenten Russlands gewählt. © dpa
Am 7. Mai 2000 legte Putin seinen Amtseid ab.
Am 7. Mai 2000 legte Putin unter den Augen von Boris Jelzin seinen Amtseid ab. Mit einer Ausnahme einer Zeit als Regierungschef von 2008 bis 2012 hat Putin seither das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation inne.  © Imago
Wladimir Putin und Bill Clinton bei der Unterzeichnung eines Vertrages in New York.
Im September 2000 führte Putin der Weg in die USA. Bill Clinton (rechts) war der erste US-Präsident, mit dem er es in den kommenden Jahren zu tun bekam. in seiner Mit dem damals noch amtierenden US-Präsidenten B © Imago
Mit einer Umarmung begrüßen sich Gerhard Schröder und Wladmir Putin im Foyer des Taschenbergpalais in Dresden.
Als Russlands Präsident reiste Putin im September 2001 zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Deutschland. Im Foyer des Taschenbergpalais in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden begrüßte ihn auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (links). Die beiden verstanden sich offensichtlich schon damals ausnehmend gut. Die Freundschaft hat auch heute noch Bestand. © Jan-Peter Kasper/dpa
Der schwarze Labrador von Wladimir Putin läuft beim Treffen seines Herrchens mit Angela Merkel durchs Zimmer.
Putin spielt gerne psychologische Spielchen – so auch 2007 mit Kanzlerin Angela Merkel. Bei ihrem Treffen in Sotschi am Schwarzen Meer ließ Putin während einer gemeinsamen Pressekonferenz eine Labradorhündin ohne Leine herumlaufen. Merkel, einst in ihrer Jugend von einem Hund gebissen worden, fühlte sich sichtlich unwohl.  © Dmitry Astakhov/dpa
George Bush und Wladimir Putin spazieren auf dem Gelände von Putins Sommerresidenz Bocharov Ruchei.
George W. Bush (rechts) war der zweite US-Präsident, mit dem es Putin zu tun bekam. Im April 2008 trafen sich beiden Staatschefs auf dem Gelände von Putins Sommerresidenz Bocharov Ruchei. © Imago
Wladimir Putin neuer russischer Regierungschef.
Am 7. Mai 2008 löste Dmitri Medwedew nach zwei Amtszeiten Putin im Amt des russischen Präsidenten ab. Einen Tag danach wählte die Duma Putin auf Vorschlag des neuen Präsidenten zum neuen Regierungschef. Putin blieb auch in dieser Position der starke Mann. © dpa
Putin und Obama stoßen miteinander an.
Am 7. Mai 2012 wurde Putin erneut zum Präsidenten gewählt. Sein Verhältnis zu US-Präsident Barack Obama war von Distanz geprägt. Das war auch im September 2015 bei einer Veranstaltung der Vereinten Nationen in New York der Fall.  © Amanda Voisard/dpa
Putin trifft Trump beim Apec-Gipfel in Vietnam.
Als Donald Trump die US-Wahl 2016 gegen Hillary Clinton gewann, hatte Russland wohl seine Hände mit im Spiel. Putin hatte sicher seinen Grund. Mit Donald Trump kam er jedenfalls gut zurecht. Im November 2017 begrüßten sie sich Familienfoto im Rahmen des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Da Nang (Vietnam) herzlich.  © Mikhail Klimentyev/dpa
Der chinesische Präsident Xi Jinping (r) und der russische Präsident Wladimir Putin (l) geben sich am 04.07.2017 im Kreml in Moskau (Russland) bei einem Gespräch die Hände
Unter Putin sind sich Russland und China zuletzt immer nähergekommen. Ein wichtiger Termin war der 4. Juli 2017, als der chinesische Präsident Xi Jiping im Kreml in Moskau zu Besuch war. Damals wurden mehrere Verträge und Wirtschaftsabkommen unterzeichnet. © Sergei Ilnitsky/dpa
Wladimir Putin im Kreml.
Putin forcierte in seiner dritten Amtszeit die kriegerischen Auseinandersetzungen. Seit dem 21. März 2014 betrachtet Russland die Krim als Teil des eigenen Staatsgebiets, seit September 2015 unterstützt die russische Luftwaffe im Militäreinsatz in Syrien den syrischen Präsidenten Assad im dortigen Bürgerkrieg.  © Sergei Ilnitsky/dpa
Wladimir Putin (links) und Joe Biden schütteln sich bei ihrem Treffen in der „Villa la Grange“ die Hand.
Anlässlich der Genfer Gipfelkonferenz traf sich Putin am 16. Juni 2021 mit US-Präsident Joe Biden zu einem Gespräch. Schon damals waren die russischen Truppenaufmärsche an der Grenze zur Ukraine ein Thema. © Denis Balibouse/dpa
Wladimir Putin lacht in Genf.
Genutzt hat das Gipfelgespräch wenig. Am 24. Februar 2022 begann mit dem Einmarsch der russischen Truppen ins Nachbarland der Ukraine-Krieg. Putin wusste es wohl schon in Genf.  © Denis Balibouse/dpa

Ukraine-News: Kretschmer fordert „Einfrierung“ des Krieges in der Ukraine

„Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Rohstofflieferungen brauchen. Und ich bin zweitens der Meinung, dass wir gemeinsam versuchen müssen, (...) einzuwirken auf den russischen Präsidenten und auch die Ukraine davon zu überzeugen, dass wir alle miteinander diesen Konflikt einfrieren müssen. Das ist etwas anderes als das, was derzeit läuft.“ (smu/dpa)

Rubriklistenbild: © Chris Emil Janssen/Imago

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