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China und die deutsche Infrastruktur: Hafenstreit um Cosco ist erst der Anfang

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Von: China.Table

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Nach dem Kompromiss beim Einstieg von Cosco in Hamburg läuft die Diskussion über Beteiligungen aus China heiß. Auch der Hafen Duisburg muss sein Verhältnis zu Cosco erklären.

Berlin – Die geplante Übernahme eines Anteils an einem von vier Terminals des Hamburger Hafens durch die Reederei Cosco ist zum Symbol für chinesische Investitionen in Deutschland geworden. Es handelt sich um die erste Übernahme auffälliger Infrastruktur seit Russlands Einmarsch in die Ukraine: Die „Zeitenwende“ erfasst das Hafengeschäft. Deutschland soll demnach autoritären und potenziell aggressiven Staaten gegenüber nicht mehr blauäugig agieren.

Es ist allerdings der Zeitenwende-Kanzler Olaf Scholz selbst, der diese Idee nun unterläuft. Er hatte den am Mittwoch vom Kabinett abgesegneten Kompromiss befürwortet, bei dem Cosco einen kleineren Anteil übernimmt, der kaum echten Einfluss aufs Geschäft zulässt. Auch die IT des Terminals bliebe vom chinesischen Anteilseigner unabhängig. China.Table hatte am Montagmorgen als Erstes über diesen Kompromiss berichtet.

Das Bundeskabinett einigte sich nun auf diesen Kompromiss. Wie das Wirtschaftsministerium (BMWK) am Mittwoch mitteilte, wurde eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen. Demnach darf Cosco nur einen Anteil unterhalb von 25 Prozent an dem Containerterminal Tollerort erwerben. Für einen Erwerb weiterer Anteile oberhalb dieses Schwellenwerts sei eine erneute Investitionsprüfung erforderlich, so das BMWK. Zudem schloss das Ministerium Sonderrechte aus. So sei es Cosco untersagt, „sich vertraglich Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen zu lassen“. Damit werde eine strategische Beteiligung am Terminal verhindert und der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert. Grund für die Teiluntersagung sei, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliege.

Ein Mann schaut im Dunklen auf ein beleuchtetes Containerterminal und ein riesiges Schiff
Das Containerschiff „Cosco Pride“ beim Anlegemanöver am Container-Terminal Tollerort im dichten Morgennebel: Die Cosco-Beteiligung am Hamburger Hafen löste eine heftige Debatte um eine mögliche Abhängigkeit kritischer Infrastruktur von China aus. © Jonas Walzberg/dpa

In der Ampelkoalition waren sich die zwei kleineren Partner zuvor in ihrer Ablehnung einig gewesen – daran hatte auch der neue Kompromiss zunächst wenig geändert. Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, lehnte ihn rundheraus ab. „So wenig, wie es in der Natur ein bisschen schwanger gibt, so wenig gibt es bei dem Hafendeal in Hamburg ein bisschen chinesisch“, sagte sie am Dienstag der dpa. Strack-Zimmermann warf Olaf Scholz mangelndes Rückgrat vor: „Der biegsame Rücken gehört ins Hamburg Ballett, nicht in den Hamburger Hafen.“ China müsse ein „Stoppschild“ vor der europäischen Hafenstrategie sehen, sagte der FDP-Außenpolitiker Johannes Vogel der Wirtschaftswoche. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und sein Parteikollege Omid Nouripour wiederholten noch am Dienstag ebenfalls ihre Warnungen vor Abhängigkeiten.

Cosco-Streit: Auch Bayern will seine Häfen schützen

Auch aus dem Süden der Republik kam eine Wortmeldung: Die bayerische Staatsregierung habe kein Verständnis für den Verkauf deutscher Infrastruktur an China, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Die Regierung des Freistaats sprach sich „aus verkehrs-, wirtschafts- und sicherheitspolitischer Sicht“ dagegen aus, sie an Investoren außerhalb der EU zu verkaufen. Das gelte nicht nur für die sechs Binnenhäfen des Landes, sondern auch für die Flughäfen oder die digitale Infrastruktur.

Die Hafen-Tochter von Cosco hatte im vergangenen Jahr vereinbart, einen Anteil von 35 Prozent an dem Terminal Tollerort von dem Hafen-Logisitiker HHLA zu kaufen. Dort legen bisher fast nur Schiffe von Cosco an. Der Hafen könnte sowohl die Investitionen als auch eine Steigerung des Chinageschäftes gut gebrauchen. Für eine Reederei wiederum hat es Sinn, sich in die Häfen einzukaufen. Wenn Stau herrscht, können die eigenen Schiffe dann mit Vorrang einlaufen. Tollerort sollte im Gegenzug zu einem „bevorzugten Drehkreuz“ der großen Reederei aus der Volksrepublik werden. Der Kompromiss sieht nur noch einen Anteil von 24,9 Prozent vor, was weniger Einflussmöglichkeiten eröffnet.

Rein wirtschaftlich wäre das Geschäft sinnvoll – daran zweifelt kaum jemand. Solange Deutschland und China große Handelspartner sind, fahren viele Frachter zwischen beiden Ländern. Gegenseitige Beteiligungen an den Häfen stärken hier die Beziehungen. Doch der Einstieg der staatlichen Großreederei aus China, das in Europa zunehmend als unfreundlicher Rivale empfunden wird, hat eben auch eine politische Dimension. Schon vor der russischen Invasion in der Ukraine im Februar galt der Einstieg als heikel; die Opposition in Hamburg war von Anfang an dagegen.

Hafen Duisburg geht vorsichtig auf Distanz zu Cosco

Wohl aus diesem Grund legt ein anderer wichtiger Hafen Wert darauf, sein Verhältnis zu Cosco klarzustellen, ohne dabei die Beziehungen zum Großkunden zu gefährden. Der Duisburger Hafen bestätigte Table.Media am Dienstag, dass Cosco schon seit Juni nicht mehr an einem Prestigeprojekt des Unternehmens beteiligt ist, dem Duisburg Gateway Terminal (DGT). Den neuen Anlegeplatz wollte Cosco den ursprünglichen Plänen zufolge zu einem knappen Drittel mitfinanzieren. Zu den Gründen des Ausstiegs der chinesischen Seite sei „Stillschweigen vereinbart“, so ein Sprecher. Baubeginn des DGT war im März. Duisburg ist ein wichtiger Endpunkt der Schienen-Seidenstraße; die Container werden dort vom Schiff auf die Bahn umgehoben und umgekehrt.

Die Duisburger Hafen AG gibt sich nun einerseits Mühe, die Beziehungen zu Cosco als völlig intakt darzustellen. Zugleich beeilt man sich dort, die Bedeutung der Verbindungen herunterzuspielen. „Selbstverständlich ist kein Unternehmen oder keine sonstige Institution aus China am Duisburger Hafen beteiligt, diese befinden sich ausschließlich im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stadt Duisburg“, so der Sprecher. Auch an der Betreibergesellschaft des Gateway-Terminals bestehe keine „gesellschaftsrechtliche Beteiligung“ mehr. Duisport habe viele Partner und sei nicht von einzelnen Auftraggebern abhängig.

Deutschland und China: Nächste Front 5G-Ausbau

Vielleicht lässt sich über den Hafen-Einstieg auch deshalb so trefflich diskutieren, weil es sich um ein vergleichsweise übersichtliches und konkretes Thema handelt. Ein Containerterminal kann sich jeder vorstellen – es eignet sich daher gut als Aufreger für Politiker. Doch auch auf zahlreichen anderen Feldern hat Deutschland das Verhältnis zwischen Nähe und Abstand zu China noch längst nicht klar. Die Diskussion um das Hafenterminal wird sich in der nahen Zukunft noch dutzendfach in Varianten wiederholen. Die nächste Front liegt beim Ausbau der Mobilfunknetze. Auch hier mokieren sich FDP- und Grünen-Politiker über zu viel chinesischen Einfluss.

Zwar hatte noch die vorige Bundesregierung nach massivem öffentlichen Druck den chinesischen Netzausrüster Huawei aus den deutschen Handynetzen heraushalten wollen. Sie hat per Gesetz „nicht vertrauenswürdige“ Anbieter von der Lieferung kritischer Teile ausgeschlossen. Damals war es übrigens die SPD gewesen, die auf einen Ausschluss von Huawei gedrängt hat, während die federführende CDU im Sinne eines schnellen und günstigen Netzausbaus die Nähe zu dem chinesischen Anbieter gesucht hatte.

Zuständig für die Beurteilung der „Vertrauenswürdigkeit“ laut IT-Sicherheitsgesetz ist nun Innenministerin Nancy Faeser (SPD).
Faeser drückt bei der Umsetzung aufs Gas und habe dafür einen Stab von Vertretern der beteiligten Ministerien einberufen, berichtet das Handelsblatt. Noch ist aber unklar, welche Elemente der deutschen Netze überhaupt als „kritisch“ gelten sollen und welche Anbieter vertrauenswürdig eingestuft werden und welche nicht. Eine laute Diskussion ist dagegen sicher.

Von Finn Mayer-Kuckuk

Seit Mai 2021 ist Finn Mayer-Kuckuk Redaktionsleiter des China.Table Professional Briefing. Zuvor war er Hauptstadtkorrespondent in der Bundespressekonferenz in Berlin und China-Korrespondent unter anderem für das Handelsblatt und die DuMont-Gruppe. Er berichtet unter anderem über das Zusammenspiel der chinesischen mit der deutschen Wirtschaft, Digitalisierung und IT sowie über China-Trends in der deutschen Hauptstadt.

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