- VonSven Haubergschließen
Noch immer schottet China strategische Wirtschaftsbranchen gegen ausländische Investitionen ab. Die EU will das nun mit einem neuen Handelsinstrument kontern. Das hat auch mit einer Brücke in Kroatien zu tun.
München/Brüssel – Spätestens seit in Dubrovnik viele Szenen für die Fantasyserie „Game of Thrones“ gedreht wurden, ist die historische Stadt eines der beliebtesten Reiseziele in Europa. Dubrovnik liegt ganz im Süden Kroatiens*, und wer die „Perle der Adria“ auf dem Landweg erreichen will, der muss für einen kurzen Moment die Europäische Union verlassen. Denn ein paar Kilometer, die zu Bosnien und Herzegowina gehören, trennen die Region Dubrovnik vom Rest des Landes. In ein paar Monaten schon soll dieses Problem aber Geschichte sein: Dann eröffnet die Peljesac-Brücke, die mit einer Länge von 2,4 Kilometern beide Landesteile verbindet und den Grenzübertritt erspart.
Zusammen mit den Anschlussstrecken wird das Bauwerk nach Angaben der kroatischen Regierung rund 550 Millionen Euro kosten. Den Löwenanteil davon, nämlich 357 Millionen Euro, trägt die Europäische Union*. Gebaut wird die Brücke allerdings nicht von einem kroatischen Unternehmen und auch nicht von einer Firma aus dem Rest der EU – sondern von der China Road and Bridge Corporation (CRBC), einem Staatsunternehmen aus Peking*. Die CRBC gehört zu den größten Bauunternehmen weltweit; sie hat die längste Brücke der Welt in der chinesischen Provinz Jiangsu* gebaut, Straßen in Äthiopien und im Senegal, einen Hafen in Mauretanien und eine Eisenbahnlinie in Kenia.
Das chinesische Unternehmen ist bekannt dafür, seine Projekte innerhalb des gesetzten Zeitrahmens fertigzustellen. Auch die Peljesac-Brücke in Kroatien liegt im Zeitrahmen, nach nur drei Jahren stand der Rohbau. Den Zuschlag erhielt die CRBC allerdings vor allem deshalb, weil sie konkurrenzlos günstig war. Die zwei anderen Unternehmen, die sich um den Auftrag beworben hatten – ein Konsortium aus Italien* und der Türkei* sowie die österreichische Strabag – konnten da nicht mithalten. Kein Wunder: Als Staatsunternehmen konnte die CRBC Preise aufrufen, zu denen die europäische Konkurrenz nicht arbeiten kann. Die beiden unterlegenen Bieter beklagten denn auch die Wettbewerbsverzerrungen, die durch den chinesischen Staatskonzern entstünden – allerdings vergeblich.
China: Handelspolitik als Mittel der Geopolitik
Dass ein europäisches Unternehmen in China* einen derart großen Auftrag an Land zieht, wäre undenkbar. Denn Peking schottet, allen Bekenntnissen zum freien Handel zum Trotz, noch immer Teile seiner Wirtschaft ab. Was chinesische Unternehmen im Ausland dürfen, dürfen ausländische Unternehmen in China vor allem in als strategisch angesehenen Sektoren nicht. So ist es europäischen Firmen in China eben nicht gestattet, bei staatlichen Ausschreibungen mitzubieten. Ein unfairer Wettbewerbsvorteil für das Riesenreich, finden viele Politiker in Europa, aber auch in den USA. Zumal China mit seinen kostengünstigen Baumaßnahmen nicht nur neue Absatzmärkte erschließen will, sondern im Rahmen seiner Neuen Seidenstraße* auch geopolitische Motive verfolgt.
Mit einer neuen Maßnahme will die EU dem nun ein Stück weit entgegenwirken: Mit dem „Instrument für das internationale Beschaffungswesen“ (IPI) sollen Länder bestraft werden können, die europäische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen diskriminieren. Konkret bedeutet das: Wenn sich ein Staat weigert, seinen öffentlichen Beschaffungsmarkt für EU-Anbieter im gleichen Ausmaß zu öffnen wie die EU, dann drohen Sanktionen. So können die Angebote des betreffenden Drittstaates entweder komplett von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Oder aber sie werden mit einem Preisaufschlag versehen.
Am Montag (14. März) einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament* auf dieses handelspolitische Sanktionsinstrument, an dem seit rund zehn Jahren gearbeitet worden war. Bereits im November 2021 hatte der Handelsausschuss die Position des Parlaments ohne Gegenstimme verabschiedet. Eine Bestätigung vom Plenum des EU-Parlaments und vom EU-Ministerrat steht noch aus, gilt aber als Formsache. Damit ist das IPI deutlich weniger umstritten als etwa das Investitionsabkommen CAI*, das zwischen China und der EU ausgehandelt worden war, aber noch nicht vom Parlament ratifiziert wurde – unter anderem aufgrund des aggressiven Vorgehens von Peking gegen das EU-Land Litauen* und der Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang*.
China: Öffnung der Märkte unwahrscheinlich
Bei dem neuen Instrument handele es sich nicht um eine „Lex China“, betonte der deutsche EU-Abgeordnete und SPD-Politiker Bernd Lange auf einer virtuellen Pressekonferenz am Dienstag. China wäre allerdings besonders stark betroffen, weil das Land viel im Ausland investiere und gleichzeitig „mit Angeboten, die nicht nachvollziehbar sind“, auf den Markt dränge, sagte Lange, der Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im EU-Parlament ist. Immer mehr Länder würden „Handelspolitik auch als politische Waffe nutzen“ und versuchen, die eigene Wirtschaft durch „unlautere Mittel“ zu stärken. Insgesamt schreiben die Mitgliedsstaaten der EU jährlich Aufträge im Wert von zwei Billionen Euro aus.
In China gebe es „null Bereitschaft, den Markt zu öffnen“, sagte der für das IPI verantwortliche EU-Abgeordnete Daniel Caspary von der CDU. Der EU gehe es mit dem neuen Instrument nicht darum, den europäischen Markt für Drittstaaten zu schließen, sondern vielmehr darum, andere Länder zu ermutigen, sich zu öffnen. Aber: „Wir wollen im Zweifel wehrhaft sein und Druck ausüben“, so Caspary. Er betonte, dass China mit billigen Aufträgen im Ausland auch Know-how ins eigene Land abziehen wolle.
Nicht betroffen von dem neuen Instrument sind Ausschreibungen unterhalb einer finanziellen Mindestgrenze sowie Entwicklungsländer. Auch könnten in Notfallsituationen Ausnahmeregelungen geschaffen werden, etwa wenn – wie während der Corona-Pandemie – große Mengen an Medizinprodukten schnell beschafft werden müssten.
Neues EU-Instrument: Wirksamkeit muss sich erst noch zeigen
Ob das neue EU-Instrument im Handel mit China wirklich etwas bewirkt, wird sich zeigen. Es sei unwahrscheinlich, dass China nun plötzlich seine eigenen Märkte öffne, so der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer. „Das bilde ich mir nicht ein.“ Auch in Bezug auf andere Staaten wie etwa die USA muss sich die Wirksamkeit des „Instruments für das internationale Beschaffungswesen“ noch beweisen.
Denn die „Buy American“-Politik Washingtons benachteiligt Unternehmen aus der EU ähnlich wie es Pekings Handelspolitik tut. Vor allem auf den unteren Verwaltungsebenen der USA* könnte das Instrument seine Wirkung entfalten, glauben die EU-Parlamentarier. Lange drückt es so aus: „Wir müssen diese Pistole scharfstellen und auf den Tisch legen, auch wenn wir wissen, dass wir sie nicht so oft nutzen werden.“ (sh) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.